Meilensteine des Feminismus (2)

„Die soziologisch geformte seelische Struktur der Frau findet unter anderem auch in ihrer Sprache, welche der Frauenarzt in besonderem Maße kennen und berücksichtigen muß, ihren Niederschlag. Um das Charakteristische der weiblichen Ausdrucksweise zu markieren, sei – so wenig seriös und wissenschaftlich es auch erscheinen mag – an dieser Stelle ein kleines Feuilleton eingeblendet, weil hiermit das Gemeinte am besten veranschaulicht werden kann. […]

Sonntagmorgen –

Der Frühstückstisch ist appetitlich gedeckt.

Der Herr des Hauses sitzt ohne Krawatte, in Pantoffeln, noch unrasiert auf seinem Platz und liest den politischen Leitartikel.

Die Hausfrau trägt eine neue Frisur und ein frischgeplättetes Kleid. Ihre ganze Erscheinung strahlt Lebensfreude und Frohsinn aus. Während sie ihm erneut Kaffee einschenkt, sagt sie lächelnd: „Lesen beim Frühstück ist ungesund.“

Er murmelt erstaunt: „Wieso?“ – und liest ungerührt weiter.

Einem aufmerksamen Beobachter erscheinen auf beider Stirnen Wölkchen des Unmuts. Und richtig: Binnen fünf Minuten ist der schönste Krach im Gange über – irgend etwas.

Was liegt hier vor?

Ein sprachliches Mißverständnis.

In der Sprache des Mannes übersetzt bedeuten die Worte der Frau ungefähr folgendes: „Ich wünsche, daß Du Dich mit mir unterhältst und mir ein Kompliment über meine neue Frisur machst. Wenn Du jetzt nicht sofort die Zeitung weglegst, kannst Du was erleben!“

Im verborgenen meint sie jedoch: „Als Bräutigam kamst Du nie so salopp gekleidet und unrasiert zu mir. Auch beachtetest Du  mein Äußeres mit deutlichem Wohlgefallen. Unter vielem anderem habe ich Dich einst auch auf Grund dieser Deiner liebenswerten Eigenschaften geheiratet. Nunmehr glaubst Du an die Wichtigkeit des Ehevertrages, hältst aber selbst einen Teil der Bedingungen nicht mehr ein. Denn inzwischen bist Du blind dafür geworden, daß ich eine Frau bin, daß ich mich nach wie vor deinetwegen schön mache und jetzt zum Beispiel meine Frisur geändert habe, um Dir immer wieder aufs neue zu gefallen. Liebst Du mich nicht mehr?“

Mit der Frage: „Wieso?“ gibt der Mann zu erkennen, daß er an dem Wortlaut des Gesagten klebt, ohne das Gemeinte auch nur annähernd zu erahnen. Er ist offensichtlich nicht in der Lage zu erfassen, daß ein Mißverstehen seinerseits in Form der Enttäuschung und des darauffolgenden Ärgers wirklich gesundheitsschädliche Folgen haben kann.

So geht es den meisten Männern. Umgekehrt sind die wenigsten Frauen in der Lage, sich in einer dem Manne verständlichen Sprache auszudrücken.

(Dr. med. Eberhard Schätzing: Die verstandene Frau. Ärztliche Seelenführung der Frau in Not [1952])

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