Will noch irgendjemand Filme über die deutsche Einheit im Jahr der Einheit sehen? Noch mehr Stasi-Offiziere, die sich in Bürgerrechtlerinnen verlieben? Nä! Eine Ausnahme sollte man aber doch machen, wie ich dem persönlichen Augenschein vertrauend hier empfehlen möchte: Man kann sich den Film Stilles Land ausleihen, den Debütfilm eines gewissen Andreas Dresen.
Schon 1991/92 gedreht, vermittelt er – noch ganz ohne Kostüme und Studionachbauten – ein treffliches Bild vom Ende der Deutschen Demokratischen Republik. Arbeitstitel des Films war „Provinztheater“, und eben darum geht es: Ein junger, leicht überambitionierter Regisseur kommt an ein Provinztheater im hohen Norden der DDR und versucht, ausgerechnet durch eine Inszenierung von Warten auf Godot ein lethargisches Ensemble aus dem Tiefschlaf zu wecken. Unterdessen bricht jedoch ein Land zusammen und Schauspieler wie Publikum schauen lieber gebannt darauf, was auf der Weltbühne vor sich geht. Der ganze Film lebt von der intimen Kenntnis des speziellen Biotops Provinztheater: Andreas Dresden kannte sich als Sohn des Theaterregisseurs Adolf Dresen und der Schauspielerin Barbara Bachmann selbst bestens aus. Meine Lieblingsszene: Die Akteure sitzen als Tiere verkleidet in der Kantine, als über Lautsprecher die Aufforderung schallt: „Die Schweine bitte auf die Bühne!“ Eine Liebesgeschichte gibts natürlich auch.
Stilles Land ist in der „Edition Debütfilme“ beim Studio Filmgalerie 451 erschienen. Die zwei DVDs enthalten auch Andreas Dresens frühe Kurzfilme und ein unbedingt sehenswertes, ausführliches und selten sympathisches Interview mit dem Regisseur, der die Geschichte seiner eigenen Karriere sehr witzig und unprätentiös schildert.
Für mich einer der besten Dresen-Filme.