Das Zentrum für politische Schönheit stellt sich in Dresden vor

Am gestrigen Montag durfte ich auf dem – sehr gelungenen und auch erfreulich gut besuchten – Filmfestival MOVE IT! einem Vortrag von Philipp Ruch lauschen, dem „Gründer und Chefunterhändler“ des Zentrums für politische Schönheit. Politische Schönheit? Das klang paradox, interessant und anspruchsvoll zugleich. Leider versäumte es Ruch, das der Initiative zu Grunde liegende Konzept überhaupt erst einmal vorzustellen. Stattdessen führte er eine etwas wirre Sammlung von YouTube-Schnipseln vor, die einzelne Projekte des Zentrums dokumentierten.

So projektierte das Zentrum beispielsweise eine schwimmende Brücke über das Mittelmeer, um Flüchtlingen den Weg zu erleichtern und das Sterben an der Außengrenze der Festung Europa zu beenden. Sodann präsentierte man Überlebende des Völkermords von Srebrenica vor dem Reichstag – zusammen mit Bombenattrappen, die darstellen sollten, dass damals der rechtzeitige Abwurf einiger Bomben durch die NATO genügt hätte, um den serbischen Angriff auf die Stadt abzuwehren. Als diese Aktion nicht den erhofften medialen Widerhall fand, habe man sich mit der symbolischen Bildkraft des Holocaust beholfen: Das Zentrum organisierte in Bosnien die Sammlung von 16744 Schuhen, die vor dem Reichstag aufgehäuft an die 8372 Opfer des Genozids in Srebrenica erinnern sollten. Eine Aktion, die sich der Erinnerung an das bekannte Bild der Schuhberge in Auschwitz bedient. Aus den Schuhen soll nach Aussage Ruchs, sobald die nötigen 300000 Euro gesammelt sind, ein Mahnmal der Schande in Srebrenica entstehen, das die Untätigkeit der Vereinten Nationen während des Massakers anklagt.

So wurde erst im Laufe des Vortrags der eigentliche Impuls des Zentrums für politische Schönheit erkennbar: Man möchte mit Mitteln der Aktionskunst das Bewusstsein dafür wecken, Genozide in aller Welt notfalls durch militärisches Eingreifen zu verhindern. Der ästhetische Interventionismus entspricht also einem politischen. Ausgangspunkt, so Ruch, sei ein erweiterter Begriff des Schönen, der wie in der philosophischen Tradition auch das Gute umfasse. Man sei sich dabei, so räumte Ruch auf kritische Nachfragen ein, durchaus bewusst, dass das Konzept der „Responsibilty to Protect„, das militärische Interventionen zur Abwehr von Völkermorden rechtfertigt, gerade in der deutschen Bevölkerung noch wenig populär sei.

Ruchs moralische Selbstgewissheit wirkte während der Diskussion auf einen Teil des Publikums irritierend. So etwa, als er bedauernd konstatierte, dass den serbischen Kriegsverbrecher Ratko Mladic vor dem internationalen Strafgerichtshof ein faires Verfahren und nicht die Todesstrafe erwarte – ganz anders als im Falle Saddam Hussein. So beachtens- und bedenkenswert die Initiative auch sein mag: Sie sollte sich vielleicht überlegen, ihren „Chefunterhändler“ auszuwechseln, denn die kritische Diskussion mit Andersdenkenden zählt – im Gegensatz zum Das-eigene-Gesicht-in-die-Kamera-halten – nicht zu den Stärken Philipp Ruchs.

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