Maßgebliche Vorbemerkung: Das Wort „Wahn“ hat hier keine psychopathologische Bedeutung, vielmehr bezeichnet es ein feindbezogenes Denken, das sich beständig selbst die eigene Richtigkeit bestätigt. Auch sind die aufgezeichneten Maximen keine Denkvorschriften. Es handelt sich um Regeln, die mir in den letzten Jahren in den Sinn gekommen sind, wenn ich meine eigenen Gedanken davon abhalten wollte, auf Irrwege zu geraten. Ich bin weit davon entfernt, diese Forderungen selbst immer zu erfüllen.
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Der Wahn ist nicht das Gegenteil der Vernunft. Er ist Übertreibung, Verlust des Gleichgewichts. Intelligenz schützt ebenso wenig wie Wissen vor dem Wahn. Hat der erst einmal gezündet, wird die Intelligenz zu seinem Antrieb und das Wissen zum Treibstoff.
Gehe davon aus, dass viele Menschen sich der Wahrheit von verschiedenen Seiten nähern können. Wer aber behauptet, ihr alleiniger Besitzer zu sein, hat sie bloß vergewaltigt.
Zweifle an allem, aber zweifle auch an deinem Zweifel. Das sicherste Kennzeichen des Wahns ist selbstgewisse Sicherheit.
Denke daran, dass nichts ohne Ursache ist, aber vieles ohne Absicht geschieht. Es gibt Zufälle.
Ziehe wahrscheinliche Erklärungen unwahrscheinlicheren vor und die langweiligen Erklärungen den interessanten.
Unterstelle keine Bosheit, wo Dummheit als Erklärung ausreicht.
Misstraue jedem Einfall, der dir gefällt. Auch Beifall beweist nichts, am wenigsten der von Freunden.
Suche nach Tatsachen, die deinem Weltbild widersprechen. Konfrontiere jeden deiner Gedanken mit seinem Gegensatz. Spricht mit Leuten, deren Meinungen dir zuwider sind.
Vergiss nie, dass auch deine Gegner einmal recht haben können, selbst wenn sie gewöhnlich lügen.
Der Verblendete vereinigt alle seine Feinde zu einem gewaltigen Popanz; der Kritiker versucht, jedem einzelnen Gegner gerecht zu werden.
Überprüfe, ob das schöne Muster, das du entdeckt hast, in der Wirklichkeit oder doch nur in deinem Kopf existiert. Die Welt ist unendlich, kompliziert und voller Widersprüche – es kann kein Bild von ihr geben, das abgeschlossen, klar und einfach wäre.
Schließe nicht daraus, dass es in der Vergangenheit wirklich Verschwörungen gegeben hat, darauf, dass du es heute wieder mit einer zu tun haben musst.
Verbringe nicht zu viele kostbare Tage mit der Fackel in der Hand in Höhlen, um nach Geheimnissen zu suchen – die meisten Wahrheiten spazieren im hellsten Sonnenschein durch die Straßen.
Erinnere dich an deinen letzten Rausch: Oft hält gerade der Trunkenste sich selbst für völlig nüchtern.
Schau mal ein Weilchen aus dem Fenster, trink ein Glas Wasser und schlaf eine Nacht drüber.