Vielen Dank, liebe deutsche Journalisten, dafür, dass ihr den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf wieder einmal messerscharf als inhaltsleere Polit-Show entlarvt, als mediales Massenspektakel, als kalkulierte Hollywood-Inszenierung, als rauschhaften Personenkult und so weiter und so fort. Da fällt es uns Deutschen doch gleich wieder viel leichter, uns darüber zu freuen, was für langweilige Apparatschiks unsere Politiker sind. Die können zwar keine drei Sätze hintereinander vom Blatt ablesen, ohne sich zu verhaspeln und mit einer Rede nicht einmal ein halb gefülltes Bierzelt begeistern – aber das spricht ja gerade für ihre Seriosität! Wie gut ist es doch, dass wir in Deutschland nicht wie die naiven Amerikaner Personen wählen, sondern lieber Parteien, die dann für uns entscheiden, wer regieren soll. Unsere Demokratie läuft so reibungslos und unspektakulär ab, man vergisst glatt, dass man in einer lebt.
Früher, als ich noch unter Langeweile litt und deshalb einen Fernseher besaß, schaute ich am Wochenende nachmittags oft den Parlamentskanal „Phoenix“. Nicht, um mir die spannenden Entwicklungen der politischen Gegenwart zu Gemüte zu führen, sondern aus nostalgischen Gründen: Der Sender übertrug nämlich damals stundenlang historische Bundestagsdebatten aus den Sechzigern und Siebzigern. Franz Josef Strauß, Willy Brandt und Helmut Schmidt, das waren Leute, die politische Reden nicht nur durch ihr persönliches Charisma, sondern auch durch rhetorisches Können glänzen ließen. So schön gestritten wird heute längst nicht mehr. Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier könnten im Bundestag den atomaren Erstschlag verkünden, ohne dass es jemand mitbekäme, denn längst sind alle sanft entschlummert. Natürlich gibt es immer noch passable Redner, nur sind die meist leider von zweifelhaftem Charakter wie Guido Westerwelle oder Oskar Lafontaine.
Natürlich kann man da einwenden, dass wir eben in Deutschland nicht die besten Erfahrungen mit rednerischer Massenbegeisterung gemacht haben. Deswegen wählen wir ja auch unseren Präsidenten nicht mehr direkt, obwohl der sowieso schon nichts mehr zu sagen hat. Merkwürdigerweise wird die Direktwahl des Präsidenten durch das Volk immer von Bundespräsidenten gefordert, die längst im Amt sind. Ob Horst Köhler ahnt, dass er seinen Posten nie bekommen hätte, wenn nicht die Parteien, sondern die Menschen ihn besetzt hätten? Böse Zungen sprachen unserem Staatsoberhaupt ja den Charme eines Sparkassenchefs zu. Aber vielleicht es ja gerade das, was die Deutschen wollen: einen Staat wie eine Sparkasse? Sicher wie die Socke unter der Matratze, mit Onkel Horst hinterm Schalter. Wenn’s so aussieht, dann müssen wir wohl auch in Zukunft auf den deutschen Obama verzichten. Demokratie ist riskant. Wir gehen lieber auf Nummer sicher.