Hinter der Wahlkabine steht eine alte Frau, hält ihre Wahlzettel in den zitternden Händen und schaut sich verwirrt um. Ich setze mich, um meine Kreuze zu machen, da spricht sie mich mit klagender Stimme an: „Junger Mann, können Sie mir helfen? Ich weiß gar nicht, was ich machen soll …“ Der Wahlleiter eilt herbei. „Was soll ich denn jetzt machen?“ – „Schauen Sie hier, das ist ganz einfach. Auf dem grauen Zettel machen Sie ein Kreuz und auf dem gelben dürfen Sie bis zu drei Kreuze machen. Der eine ist nämlich für die Europawahl und der andere …“ – „Aber wo sollen denn hier Kreuze sein? Was bedeutet denn das alles? Was soll ich denn jetzt machen?“ – „Aber das müssen Sie schon selbst wissen, was Sie wählen wollen! Da kann ich Ihnen nicht helfen. Das ist schließlich eine geheime Wahl!“ Die arme Frau hat vermutlich aus früheren Tagen nur noch im Gedächtnis, dass Wählen Pflicht ist. Aber in jenen Tagen reichte es ja auch noch aus, den Zettel zu falten. Heute ist alles komplizierter geworden. Als ich das Wahllokal verlasse, steht sie unverändert zitternd im Raum. Der Wahlleiter kehrt halb verzweifelt zu ihr zurück: „Kommen Sie, setzen Sie sich erst mal …“