Lange ist’s her, dass ich das letzte Mal den gerade rund um den scheußlichen Bahnhof Mitte recht trüben Stadtteil Friedrichstadt besuchte. Dabei sollte natürlich das Kulturzentrum riesa efau eigentlich öfter eine Reise wert sein, aber meistens siegt bei mir wie wohl bei den meisten Neustädtern die Faulheit über die Neugier. Und die legendäre „Offene Lyrikbühne“ im Keller des riesa gibts ja leider schon lange nicht mehr. Nun machte ich mich aber doch mal wieder auf den Weg, diesmal zur Motorenhalle, wo zur Zeit die Ausstellung „Goodbye London. Radical Art and Politics in the Seventies“ läuft. Kuratiert wurde die Ausstellung von einer Projektgruppe der NGBK: Boris von Brauchitsch, Peter Cross, Astrid Proll, Jule Reuter und Thomas Röske.
Die siebziger Jahre waren in Großbritannien die Zeit einer ökonomischen Krise und eines politischen Kampfes, der vorläufig mit dem Sieg der Konservativen bei der Wahl 1979 endete. Die neoliberale Ära Margaret Thatchers begann. Im gesellschaftlichen Bereich verzeichneten gleichzeitig aber die sozialen Bewegungen der Feministinnen, Homosexuellen und ethnischen Minderheiten auch große Erfolge. Die Schau zeigt, wie politische Künstler – vor allem mit den Medien Foto, Film und Plakatkunst – versuchten, in die gesellschaftlichen Diskussionen einzugreifen. Die zeitgeschichtliche Bedeutung dürfte bei den meisten Exponaten den ästhetischen Wert überwiegen. Aber das ist wohl das Schicksal aller engagierten Kunst. Noch immer lebendig wirken dabei vor allem jene Werke, die in dadaistischem und anarchistischem Geist (ja, die Epoche des Punk ist es ja auch!) die soziale Kontrolle subversiv in Frage stellten. Bitterernste Plakate mit Lenin-Zitaten über die Ausbeutung in der dritten Welt oder den amerikanischen Imperialismus hingegen können nicht mehr so recht fesseln und wecken als historische Dokumente bestenfalls sentimentale Gefühle für eine Zeit, in der die Fronten noch klarer schienen. Es gab tatsächlich mal so etwas wie eine Arbeiterklasse! Die davon überzeugt war, durch Streiks, Demonstrationen und Hausbesetzungen an nichts weniger als der Abschaffung des Kapitalismus zu arbeiten! Heute kaum noch zu glauben.
Resümee: Eine sehenswerte Ausstellung für alle Freunde politischer Kunst und alle Freunde der englischen Kultur.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 30. April. Di-Fr 16-20 Uhr, Sa 14-18 Uhr. 22.04. und 23.04. geschlossen. Führungen Sa 9.04., 16.04., 30.04., jeweils 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.