In Dresden demonstriert seit einigen Wochen mit wachsendem Erfolg die Initiative “Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes” (PEGIDA). Da ich bislang nicht vor Ort war, bin ich, um mir ein Urteil zu bilden, auf den Text der Rede angewiesen, die ausweislich der Facebook-Seite der Gruppe am 17.11. gehalten wurde. Der ungenannte Redner kann Interesse beanspruchen, nicht wegen des Inhalts seines Textes, sondern wegen der sprachlichen und intellektuellen Schlichtheit, mit der er die gegenwärtig liebsten Steckenpferde der Neuen Rechten reitet.
Wir ALLE haben in der letzten Woche durch verschiedene Medienberichte erleben dürfen, WIE in unserem Land das Recht auf Meinungsfreiheit respektiert wird…
Nämlich GAR NICHT…!!!
In dem Moment, wo man von der vorgefertigten Meinung abweicht, ist diese Freiheit abgeschafft !!!
Wir haben erleben dürfen, dass WIR ALLE als RECHTE… als NAZIS… als RASSISTEN… beschimpft werden.
Der Redner versäumt es, darzulegen, wann und wo den Patrioten das Rede- oder Demonstrationsrecht verweigert wurde. Es wurde ihnen nämlich tatsächlich gewährt, ja sogar durch den Einsatz der Polizei verschafft. Als Ende der Meinungsfreiheit erscheint ihm vielmehr, dass Patrioten von Gegnern “beschimpft” worden seien. Wie also sähe Meinungsfreiheit nach dem Geschmack der Dresdner Patrioten aus? Sie herrschte in einem Staat, in dem den Gegnern der Patrioten das Maul gestopft wäre. Gegen den Vorwurf, sie seien Rassisten, dürfen sich die angeblich mundtoten Patrioten noch öffentlich verteidigen:
Radikale Islamisten sind keine Rasse, ALSO SIND WIR KEINE RASSISTEN!
Eine Unterscheidung, die durchaus einleuchtet. Sie markiert den Unterschied zwischen völkischen und kulturalistischen Fremdenhassern. Ob allen Demonstranten dieser feine Unterschied beizubringen ist, scheint zweifelhaft. Die Kommentarspalte bei Facebook spricht eher dagegen. Aber ich möchte bewusst nicht auf die Pöbeleien der Fans eingehen, sondern auf die offizielle Verlautbarung.
Wir akzeptieren KEINE HETZE von irgendwelchen Hasspredigern gegen “Ungläubige” oder Andersgläubige unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit!
Wir akzeptieren in Europa keinerlei “Tätigkeiten” von IS, PKK, al Kaida oder wie sie alle heißen!
Die Patrioten, die sich dagegen verwahren, mit Nazis und Rassisten in einen Topf geworfen zu werden, werfen verschiedenste, ja miteinander verfeindete Gruppen in einen Topf. Warum? Weil alle dem Islamismus huldigten? Keineswegs, denn die PKK ist ja eine sozialistische, säkulare Bewegung. Offenbar gehören alle in einen Topf, weil sie alle irgendwie arabisch sind. (Oder kurdisch, aber wen kümmern solche Details.) Und schon ist er wieder da, der gerade erst verabschiedete Rassismus. Er ist eben hartnäckiger als man denkt, besonders wenn er im Kopf viel Platz hat, um sich häuslich einzurichten.
Wir möchten. dass alle Kinder in einem friedlichem und weltoffenem Deutschland und Europa aufwachsen können!
Ich möchte, dass die Deutschfühlenden erst mal Deutsch lernen, bevor sie den Mund aufmachen. Aber das dürfen wir nicht erwarten. Die Patrioten stellen stattdessen acht dringliche Forderungen, so etwa:
6. Bewahrung und Schutz unserer Identität und unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur
Was genau an der jahrhundertelangen Unterdrückung und Verfolgung der Juden durch die Christen in Europa sie bewahrenswert finden, verraten die Patrioten leider nicht. Aber bringen wir einfach ein Hoch auf die “Abendlandkultur” aus, deren Religionskriege mehr christliche Brüder unter die Erde gebracht haben, als es der islamistischste Islam je könnte.
8. Es muss für uns wieder normal sein, öffentlich die Liebe zu seinem Vaterland zum Ausdruck zu bringen! Gegen Antipatriotismus!
Man muss auf die Feinheiten achten, auf die der Redner selbst nicht geachtet hat. So kann man die Rede zum Sprechen bringen. Es soll nicht etwa nur erlaubt sein, patriotische Gefühle zu zeigen. (Ist es denn verboten? Aber gut, Schwamm drüber.) Nein, es muss “normal” werden. Sodass jeder, der sich weigert, im patriotischen Schwindel mitzutaumeln, als Anormaler aussortiert werden kann. So richtig neu ist dieser Nationalismus nicht, er sieht sogar ziemlich alt aus.
Liebe Freunde, abermals bitte ich Euch, lasst uns Anknüpfen an die vergangenen Montage und FRIEDLICH, SCHWEIGEND und ANDÄCHTIG durch unsere wundervolle Stadt Dresden ziehen. Wir bitten Euch inständig: Bitte ruft KEINE PAROLEN!! Mahnende Ruhe ist das Gebot der Stunde!
Es ist zu schade: Die Rede ist fast zuende, da entlarvt sich der Redner mit rührender Naivität doch noch selbst. Er, der Vorkämpfer der Meinungsfreiheit, verbietet seinen eigenen Anhängern das Wort! Verpasst ihnen einen Maulkorb! Warum? Weil er Angst vor dem hat, was sie brüllen könnten. Das wäre – im Gegensatz zu seiner Rede – nämlich vermutlich wirklich die Wahrheit.
WIR SIND STARK, WIR SIND DAS VOLK!!
Das mag sein. Dann habe ich mir nur mal erlaubt, dem Volk aufs Maul zu schauen.