Ich will Kunst machen. Ich spüre es in jeder Faser, ich will Kunst machen. Ich will malen, und schreiben und singen und dichten und Skulpturen formen, so groß wie Thüringen. Und das ist bei weitem nicht alles. Ich habe einen Plan, ein Konzept und daran glaube ich, es ist streng genommen also Konzeptkunst und also pass auf. Ich fange klein an, in einer Kleinstadt, beginne ich, Fotos zu machen, Fotos von den Menschen, die da sind und zu jedem Foto schreibe ich einen kleinen Text und die hänge ich ins nächstbeste Stasi-Museum und nenne sie Menschen-Bilder-Welten und zur Vernissage, ein Wort, dass alle Kleinstädter vor den Kopf stoßen wird, aber das ist mir gleich, denn ich bin der Vernissageur und gefalle mir in meiner Unverstandenheit, zur Vernissage kommt ein Bekannter des einzigen anderen Künstlers im Ort und der kommt aus Berlin, dem Berlin, ja richtig und der sagt: „Das is stark, wie du das machst, komm doch mal rum, ich hab ein Atelier in Mitte.“ Und ich fahre nach Berlin mit meinen zwanzig Fotos im Gepäck und hänge sie auf, zuerst bei ihm in der Wohnung und da stehen sie dann davor, vor meinen Bildern, die feinen Großstädter und sagen: „Guck mal, der Dörfler, das ist ja niedlich!“, das sagen die Männer und wollen mich alle flachlegen, aber keine Chance, denn ich verliebe mich in die einzige Frau des Abends und die ist lesbisch und 58, aber das ist es mir wert, also schicke ich einen Eilbrief in die Kleinstadt, um meine gesamte Habe in zwei von Opa geliehenen Schrankkoffern nach Berlin transportieren zu lassen. Dort suche ich mir ein Zimmer im Hinterhaus, oder im Querhaus, baue mir aus den zwei Koffern ein Podest für meine Matratze und tue das, was alle in Berlin tun. Da sein. Beschäftigt sein. Und ich habe sofort eine Blockade, das macht mir aber nichts, denn ich bin Künstler, male riesige Bilder auf Regipsplatten und zwar mit einem Gemisch aus Kaffee und Kacke und nenne sie: „Der Morgen in mir.“
Weil ich, wie das in Berlin eben so ist, nirgends groß rauskomme, muss ich mir einen Nebenjob suchen. Ich finde ihn an der Kunstakademie, an der ich mich natürlich bewerbe und natürlich nicht genommen werde, als Aktmodell für die Monster in den Mangapornos.
So darbe ich einige Jahre, verfertige 421 Gemälde, zwei Romane und ein Romanfragment mit dem Titel „Am kürzeren Endes des Alexanderplatzes“. Ich entwickle mich also, ganz anders als die Brücke-Künstler oder die Lassie-Singers, seit ich in Berlin bin, stetig aufwärts. Mit der Möglichkeit zur Zurschaustellung meiner Kunst sieht es eher mau aus, also benenne ich mich kurzerhand um in „Alltagskünstler“ und frage an jeder Ecke, wo ein Hippie Gitarre spielt oder ein Pantomime erfolglos versucht, eine imaginäre Mauer einzureißen: „Äh…Ist hier Kunst?“
Und es wird immer besser. Ich mache ein Fernpraktikum bei Christoph Schlingensief, welches sich darin manifestiert, dass ich ihm Videos schicke, in denen ich, wechselseitig als Hitler, Che Guevara und Angela Merkel verkleidet, auf Zwergkarnickel ejakuliere, manchmal auch Hamster, aber die sind schwer zu sehen. Und weil das gut läuft und er mich weiter vermittelt, wollen plötzlich alle meine Videos haben für abgefahrene Theaterprojekte in Schlachthöfen oder Klärwerken. Ich entdecke das Internet für mich und richte meine eigene Website ein, auf der ich mich 24 Stunden lang live übertrage, weil ich ununterbrochen mit einem Gestell herumlaufe, welches eine Kamera hält, die mich in Vogelperspektive aufnimmt. Ich bin natürlich nackt, habe mir nur die Brustwarzen mit schwarzem Panzertape abgeklebt. Ich laufe herum und brülle: „Jeder trägt einen kleinen Hitler spazieren. Hört auf den Goebbels im Ohr.“ Manchmal trage ich dazu eine Hundemaske.
Das schärfste Ding erlaube ich mir natürlich mit meiner Beuys-Adaption.
Weil wenn Joseph Beuys Lebensmittel konservieren kann, dann kann ich das schon lange. Und ich kann noch viel mehr, ich kann die Lebensmittel essen, nach dreißig Jahren breche ich in die neue Nationalausstellung in Prag ein und hol mir die verschimmelten Brote und fress sie auf, alle.
Und wenn bei Jackass jemand die rohen Zutaten eines Rühreis verspeist, um sie dann wieder hoch und in eine Pfanne zu würgen und diesen Brei dann zu braten und zu essen, dann sage ich, ich werde geduldiger sein, werde die Zutaten zu einem Hühnerfrikassee roh verspeisen, sie ausscheißen und dann erst zubereiten.
Und ich wechsle die Gestalten, bin mal Jesus, mal Jonathan Meese, obwohl da ist der Unterschied nicht so groß, rein äußerlich, ich werde dann irgendwas Schweinisches machen, nicht immer nur fäkal, nein, vielleicht entnehme ich mir vor laufender Kamera etwas Rückenmark oder erfinde meine eigene Fettabpumpmaschine.
Danach ficke ich meine Katze. Ich nehme sie so richtig, von hinten von vorne, von der Seite überall.
Weil mir das aber nicht reicht, werde ich die anderen Sinne ebenso schocken. Für Leute ist es ja immer nur eklig, wenn sie jemanden sehen, der eklige Dinge isst oder poppt.
In mir aber werden sie Jemanden haben, der auch eklige Dinge hört, ganz hohes Frequenzfiepen beispielsweise oder eklige Dinge sieht.
Eine Performance, bei der eine schwangere Frau wie eine Kuh gemolken wird, ein haariger Arm quetscht ihre Brüste und drückt und drückt, bis nichts mehr herauskommt, dann Zoom auf die Auffangschüssel, in der es nur so wimmelt vor Ameisen und Maden, Maden, die für Äonen reichen würden. Also, was soll da noch kommen ihr weltfremden Säcke, das ist das Leben und wen ich schon nicht dabei sein kann, so kann ich es doch nachstellen, es ist alles in meinem Kopf, hier oben ist alles da. Ich mache Musik mit Tierkadavern, fülle Schweineblasen mit Luft, lasse diese entweichen, so furzend, wie man es von Luftballons kennt. Dazu spiele ich einen Beat mit den Penisknochen von Finnwalen, auf den abgetrennten Hufen von Pferden und gekochten Fröschen und mit den Barten der Wale mache ich den Besensound.
Und wenn das dann noch nicht reicht, lege ich mich in ein Bad aus heißem Wachs, lasse es erkalten und ziehe es ab. Dann ernenne ich mich selbst zum Alterspräsidenten des Bundestages und züchte Nacktmule, nur um sie vor dem Brandenburger Tor in feierlicher Zeremonie zu köpfen.
Das Event nenne ich Fanmule. Mein Triumph wird phänomenal sein, wenn man mich abführt, singen die Knaben in den Gassen Freiheitslieder auf Esperanto, die Mädchen streuen Blumen und Monatsbindenkonfetti und ich werde letztendlich König.“
soll das kunst sein? Pfui teufel – widerlich!!! So etwas krankes, perverses habe ich noch nie als kunst gelesen. Soll das schocken oder ist der Verfasser hirnkrank – ich glaube schon. Solche Zeilen sollten im internet sofort ausradiert werden – wie Hitler!!!Mir ist dabei der Apettit vergangen. Auf nimmer wiedersehn und nimmer wiederlesen!
Liebe Frau Kirschig,
was sie hier lesen,ist eine Satire. Sie ist an den entsprechenden Stellen entsprechend gekennzeichnet, vor allem durch etwas, was man Ironie nennt, bzw. Sarkasmus, also Überspitzung. Dass der Begriff „Kunst“ tatsächlich nicht nur auf auf Seide gestickte Katzenbilder zutrifft, sondern auch auf die dunklen Seiten menschlicher Kreativität, sollte dieser Text deutlich machen. Krank, pervers, schockierend – all das ist in der modernen Kunst möglich, wobei der Verfasser des Textes vermutlich eher als Kritiker denn Befürworter dieser Tendenz gelten kann und gesehen wird. Die Verwendung des Begriffes „ausradiert“, liebe Frau Kirschig, ist in Zusammenhang mit dem weiter unten erwähnten Hitler eher kritisch zu sehen, aber so ist das, wenn man, mit Wut im Bauch, Kommentare verfasst, und nicht noch ein paar Minütchen wartet, bis man sie abschickt. Naja, der erste Eindruck zählt, Sie haben den Ihren, ich den meinen, und ich wünsche inständigst, dass sie eventuell noch mal vorbei schauen und Stellung nehmen. Oder auch nicht. Zu Hitler fallen mit zwei Sachen ein:
1. Das ist ein schöner -wenn auch anachronistischer- Vergleich. Wenn Hitler doch damals so einfach zu entfernen gewesen wäre wie ein Blogeintrag, was wäre denn, ach, wie hätte das Mann Mann Mann…
2. Was Hitler von Satire unterscheidet, ist klar zu sehen. Satire bewirkt nichts, wird, trotz der Gutgemeintheit vielleicht sogar falsch verstanden, während Hitler zum Leidwesen aller Zeitgenossen verhältnismäßig erfolgreich war. Aber der war auch nicht ironisch…
Denken Sie nach, liebe Frau Kirschig, ich würde mich freuen, mit Ihnen bei einer Tasse Ovomaltine im Kerzenlicht diese Gedanken weiter zu spinnen, wir könnten uns dabei malen lassen, mit ganz normalen Farben, wie wäre es mit umbra und einer Spur Pink? Ja, ja…
hallihallo, ein wüster zufall (bei will und kunst in google eingeben kommt man hierher) hat mich hergetrieben und ich habe höchst amüsiert und nicht so brüskiert wie die frau kirschig hier diesen wunderlustigen text gelesen. julius, hierfür ein kuss. ich verneige mich vor deiner schönen schreibkunst, die gleichzeitig meine gegenwärtige sinnkrise wenn schon nicht entschärft dann mindestens perspektivenreicher macht… ;) weiter so und alles liebe, tanja
Das freut mich aber. Wünsche für die Krisenzeit und darüber hinaus alles Gute.
das alles ist kunst, die unserer zeit entspricht. sieh dich um.. es ist widerlich. schau dich doch um! Deine satire erfreut, sie geht jedoch ins leere.
es liest sich gut, ist aber der gleiche duktus wie in der beklagten kunst. der text ist weniger satire-eher feststellung.