Als ich jüngst ein paar Tage krank darniederlag, hatte ich seit Monaten mal wieder die Möglichkeit, ein Buch nicht aus Pflicht, sondern aus Spaß zu lesen. Ich griff zum Roman Grand Hotel von Jaroslav Rudiš, der schon seit zwei Jahren gekauft, aber ungelesen im Regal seiner Entdeckung harrte. Den sympathischen Schriftsteller, der auch als Musiker und Autor von Comics aktiv ist, hatte ich vor einer Weile in Dresden bei den Tschechischen Kulturtagen kennen gelernt und später bei einer Leipziger Buchmesse noch einmal lesen gehört.
Der Roman stellt einen Helden namens Fleischman vor, der in einem futuristischen Hotel auf dem Berg über Liberec arbeitet, umgeben von lauter eigentümlichen Gestalten. Wegen eines traumatischen Erlebnisses in der Kindheit gelingt es Fleischman nie, über die Grenzen seiner Heimatstadt, die auch als „Pisspott Europas“ bekannt ist, hinauszukommen. Er tröstet sich mit einer Leidenschaft für meterologische Beobachtung, Kontakt mit Frauen hat er nur bei der Handarbeit vorm Fernsehschirm. Schwung ins triste Dasein kommt, als wider Erwarten plötzlich zwei Kellnerinnen sich für den absonderlichen Fleischman zu interessieren beginnen und ein Heimatvertriebener ihn in seine Pläne einspannt, verstorbene Kameraden auf Heimatboden auszustreuen. Man merkt dem Roman an, dass er gleichzeitig auch als Film geplant wurde. Junge Autoren könnten hier lernen, wie man ein handwerklich sauberes Buch macht: interessante Charaktere, ein verborgenes Geheimnis in der Vorgeschichte des Helden, durchlaufende Leitmotive und ein Spannungsbogen bis zum Schluss. Zur Lektüre empfehlen möchte ich den Roman aber vor allem wegen seines angenehm melancholischen Humors, der nicht nicht nur Tschechen erfreuen dürfte.
Jaroslav Rudiš: Grand Hotel. Roman. Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. München: Luchterhand, 2008.