Als Christian Meyer, der liebe Durchgeknallte, und ich am Freitag Morgen an der Bushaltestelle standen, wussten wir nicht genau, was das Wochenende für uns bringen würde. Missgunst? Neid? Verachtung? Hass, so bitterkalt? Freunde? Groupies? Raben? Löwen? Kinder? Elvis? Ewiger Ruhm?
Es begann alles eigentlich damit, dass ein cooler Rockabilly-Typ, so Marke Medienstudent mit einem Ring durch die Nase und einem schicken Käppi, meine Gitarre anrempelte, weil sie ihm im Weg stand und ich wusste, dass sich die Plasteverpackung gelohnt hatte. Ich rief ihm hinterher, aber er hörte nichts, denn er war bescheuert und als ich ihm gestikulierend deutlich machte, dass er soeben meine Gitarre angerempelt hatte, wusch er seine Hände in der Luft in hämischer Unschuld. Mit mir kann er’s ja machen, ich sehe nicht so aus, als würde ich ihm gleich den Handschuh vor die Füße werfen. Mit Wut im Bauch ging es in einen leeren ICE, welcher aufgrund der Strecke prima dazu geeignet war, Christian ständig Rufe des Entzückens über die Lippen springen zu lassen: „Oh guck mal, der Naumburger Dom.“ und „Aaaah, die Backsteinkirche von Apolda.“
Christian weiß Bescheid.
Über Darmstadt wusste er Einiges zu berichten, die Jugendstil-Mathildenhöhe blablabla. Die Veranstaltung (wir waren etwa 4 Stunden zu früh da) sollte ausverkauft werden und das heißt in Darmstadt 800 Leute. Muffen ick hör dir sausen. Unsere Angst, vor einem so großen Publikum zu versagen, wurde durch die heißen und fettigen Hähnchenschenkel bei KFC nicht eben gemindert, aber wir hatten Rabattkarten bekommen, weswegen alles 3 Euro weniger kostete, also 6 statt neun Euro. Da hätten wir, da sollten wir, aber egal. Gebrochen hat jedenfalls keiner…
Die Veranstaltung „Darmstädter Dichterschlacht„, deren Ehrengäste wir zum 20. Jubiläum sein durften, war aus unserer Sicht ein toller Erfolg, ach was, das war ganz groußes Kinou. Ich wusste nicht, dass man tatsächlich vom Jubeln des Publikums nach hinten gedrückt werden kann. Naja. Rückfahrt war unspektakulär, wir mussten weiter nach Cottbus, zum Kabarettfestival der Studiosi mit dem Namen Ei(n)fälle. Prima Einfall. Originell und doch unverständlich. Dort sollten wir am Sonntag Morgen beim satirischen Lesebühnenbrunch zusammen mit Udo Tiffert und Michael Bittner brillieren. Gesagt, getan. Dachte ich. Es war eine okaye Veranstaltung, nichts im Vergleich zu Darmstadt, Michael und Udo waren phänomenal, aber ich war ein bisschen blockiert, vielleicht wegen des Kabaretts. Wenn die Leute anfangen, bei den Liedern mitzuklatschen, bewegt man sich meiner Meinung nach auf einem ganz schmalen Grat. Denn wer mitklatscht, dem ist der Text egal und mir ist er nicht egal, ach was soll’s ich bin zu jung dafür. Zu jung für „Neulich, da war ich bei IKEA“ und alle rufen „Ahhh, IKEA, stimmt, das kennen wir.“ Oder: „Ach Männer und Frauen“ und alle rufen „Jaaa, wir erkennen uns wieder, gib’s uns!“ Das möchte ich nicht. Ansonsten war es aber gut bis sehr gut. Vor allem der Rap (diesmal Georg Heym: Der Tag), bei welchem Udo Tiffert die ganze Zeit nur sagte: „One time“, fand guten Anklang, aber da hatte ich mir noch nicht mal die Mühe gegeben, den Text zu verstehen.
Den besten Witz der ganzen Reise machte übrigens Christian mit dem Satz: „Darmstadt sieht so aus, wie die Westler sich den Osten vorstellen.“ Fazit: Das kann man wieder machen. Auch wenn sowohl Darmstadt als auch Cottbus nicht unbedingt zum Bleiben ermuntern (städtemäßig jetzt), von den Leuten her kann man da ni meckern. Und wenn man sich dagegen zum Beispiel Hildesheim anguckt. Grauenhaft. Der Bahnhof, die Innenstadt, die Universität (nicht die Außenstelle), einfach nur bah. Abschließend sei gesagt: Heute morgen erwachte ich in Hildesheim und meine geschätzte Bettgenossin sprach:
„Heath Ledger ist gestorben.“
„Ach Quatsch, das hast du nur geträumt.“
„Nee, echt, Heath Ledger ist gestorben.“
Woraufhin ich mich umdrehte, weil ich dachte, ich hätte gerade geträumt. Aber schließlich konnte auch ich die Nachricht aus dem Radio (von DeutschlandRadio, wo die immer so Musik vorstellen, die nach 80ern klingt und völlig unbekannt ist, verückt) nicht ignorieren. Heath Ledger, tot aufgefunden, neben ihm ein Döschen Benzodiazepine oder auf jeden Fall Schlafmittel. 28 Jahre. So talentiert, ich sage nur „Ritter aus Leidenschaft“, „Der Patriot“, „10 Dinge die ich an dir hasse“, „Brokeback Mountain“, also Filme, die mein Leben entscheidend mitgeprägt haben. Schrecklich. Und das nur, weil die Drehbuchschreiber in Hollywood nicht genügend Geld kriegen und er fühlt sich verantwortlich. Da sollten die da oben echt mal…
eh julius, bedeutet mitklatschen nicht, daß man den text verstanden hat und zustimmt?
…ja, der grat von kabarett zu karneval ist schmal, manchmal ooch nich, manchmal issa wie lindt zu schlagersüßtafel … OKAY dekliniert klingt wie berstender fingernagel an schultafel… one time!