Es ist ein Sonntag im schönsten Herbst, man hat mit der Liebsten beschlossen, seit Wochen endlich mal wieder einen Tag frei zu machen, also was tun? Natürlich, man macht sich auf den Weg nach Chemnitz! Und tut dort, was man schon so lange hätte machen wollen und sollen, besucht nämlich die Kunstsammlungen Chemnitz und das Museum Gunzenhauser. Chemnitz als Kunststadt hat sich in der Vergangenheit durch einige populäre Schauen (Picasso, Bob Dylan) ins mediale Blickfeld geschoben, mich interessierte aber mehr das Gerücht, dass die dortigen Sammlungen den Dresdner Museen mindestens ebenbürtig seien, was die Malerei der Moderne angeht. Ich kann das nun bestätigen und möchte der sympathischen Splittergruppe der Kunstfreunde einen Besuch in der „Stadt der Moderne“ dringend ans Herz legen.
Vom Hauptbahnhof sind es nur einige hundert Meter bis zu den Kunstsammlungen direkt neben der Oper. Hier kommen vor allem Freunde der klassischen Moderne, der Brücke und der DDR-Malerei auf ihre Kosten. Karl Schmidt-Rottluff ist mit besonders vielen und besonders schönen Bildern vertreten. Im neuen Dresdner Albertinum kommt die Kunst der DDR ziemlich kurz, hier in Karl-Marx-Stadt findet sich z.B. eine interessante Sammlung mit Gemälden und Grafiken von Wolfgang Mattheuer. Eine gerade neu eröffnete Etage zur „Malerei der Romantik“ leidet darunter, dass man ohne das große Vorbild Friedrich seine vielen ausgestellten Epigonen nur schwer schätzen kann. Als Wechselausstellung war gerade Sean Scully zu Gast und ich wurde daran erinnert, dass ich mit Farbfeldmalerei nichts anfangen kann. Eine Ecke grün, eine rot, eine blau, eine braun und das Ganze heißt dann Mondlicht oder Eurydike – nee, das ist mir irgendwie nichts.
Läuft man nun einmal quer durch den Chemnitzer Zentralfriedhof, tschuldigung: die Stadtmitte, dann erreicht man das Museum Gunzenhauser. Hier hat sich ein Münchner Galerist im Gegenzug für eine unbezahlbare Sammlung von der Stadt ein eigenes Haus einrichten lassen. Fast ein ganzes Stockwerk zeigt das Lebenswerk von Otto Dix. Es reicht von expressionistischer Schauerromantik („Der Lustmörder“ – herrlich!) über veristische Antikriegskunst über scheinbar unpolitische Landschaftsmalerei in der Inneren Emigration bis zu einem neo-expressionistischen Nachkriegswerk. Eine weitere Etage zeigt weitere Expressionisten und Artverwandte, sowohl die „Wilden“ im Brücke-Stil als auch die „Abstrakten“ der Münchner Schule. Das Erdgeschoss führt die Kunstgeschichte dann weiter bis in die Gegenwart und veranschaulicht die Debatte in der frühen BRD zwischen Abstrakten und Gegenständlichen.
Besonders lobend möchte ich die Freundlichkeit des Personals („Wennsch ihn ein Tipp gebm söll …“) hervorheben. Ebenso gegen Dresdner Verhältnisse sticht die Ruhe in den Museen ab. Als wir vor Ort waren, waren mehr Wärter als Publikum in den Räumen. Aber man hat ja in Chemnitz ohnehin immer den Eindruck, dass nicht eine Viertelmillion, sondern zwanzig bis dreißig Menschen in der Stadt wohnen. Am Abend liefen wir noch durchs Gründerzeit- und Jugendstilviertel Kaßberg und dachten: Mensch, was könnte nicht in Chemnitz gehen, wenn hier nur was ginge!