In Dresden nichts Neues

Vor einer Weile wies ich an dieser Stelle auf die Ausstellung OHNE UNS! hin, die sich mit der Dresdner Kunst und alternativen Kultur vor und nach 1989 beschäftigt. Nicht weniger empfehlenswert ist der Katalog zur Ausstellung, der zahlreiche Aufsätze und Originaldokumente versammelt und fast so etwas wie eine Gesamtdarstellung zur Dresdner Alternativkultur bietet. Eben in diesem Buch stieß ich auf ein interessantes Dokument, das 1988 unter dem Titel ORTS BESTIMMUNG DER ZEIT / DRESDEN EIN DUTZEND JAHRE EINER LITERATUR in der Untergrundzeitschrift „Bizarre Städte“ erschien. Wie man schon an der Merk Würdigen Getrennt Und Zusammen Schreibung merkt, war hier die Avantgarde am Werk. Der Autor Manfred Wiemer beschreibt in diesem Text die Literaturszene in Dresden mit Insider-Wissen. Und irgendwie kommt einem da viel bekannt vor:

Eine Dresdner Literaten Szene? sucht man hier die Dichter? […] Nein, keine Literatenszene. Nie.

Tja, da kann man nur zustimmen.

Da können die Straßen heißen wie sie wollen. Kleist E.T.A. Hoffmann, Tieck, Novalis, Schiller, Jean Paul … fanden sich ein, für Momente. – Aufgeschlossen ist diese Stadt: für die Ankommenden. Aber sie hält keine Dichter.

Wer denkt da nicht an Stefan Seyfarths Verse: „jener, der hier glück und ruh fand / hat stets in den sand geschrieben / wer in der elbestadt besteht / wird tagsdrauf vom wind verweht“ (aus: dresden dilemma, 2004)

Sie bezahlt eifrig die Bliemchenliteraten „Zum Margerittentag“. Ein reiches Publikum OBERreferenten OBERlehrer OBERstudienräte OBERärzte OBERkellner OBERloschwitzer steht zur Auswahl, das sich von Kunst mit dem Hauch der avantgarde nicht die Salons beschmuddeln läßt.

Sondern lieber den Turm ungelesen ins Regal stellt?

Eine Stadt, die neue Kunst verhindert. Bewährtes beklatscht: Barock Oper Dixieland

Wie sich die Zeiten ändern! Gut, dass Dresden heute „die dynamischste Stadt Deutschlands“ ist (laut Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft).

MYTHOS Dresden? Die konservative Geistelei führt sich selbst vor täglich; man stochert im gesicherten, wo nichts und niemand abrutscht; Intelligenz-Kreise pauken die Vokabeln ihrer Rechtfertigung; und wenn niemandem mehr etwas einfällt, geht man in die Oper.

Und nun zum Ausblick:

Man muß sich nichts vormachen. Eine Emanzipation Dresdner Literatur steht nicht ins Haus.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass der Autor Manfred Wiemer heute Leiter des Amtes für Kultur und Denkmalschutz der Stadt Dresden ist.

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