Kind und Kunst

Seitdem die Galerie Neue Meister wegen Renovierung ihre Türen fürs Erste schließen musste, fragt sich der geneigte Freund der schönen Künste noch mehr als früher schon: Wohin in Dresden, wenn man der allgegenwärtigen Barockseligkeit entkommen möchte? Deshalb hier mein Tipp, doch mal die Städtische Galerie für Gegenwartskunst (ja, auch das gibt’s!) zu besuchen, die sich Kunsthaus Dresden nennt und älteren Einheimischen vielleicht noch unter dem Namen Galerie Rähnitzgasse bekannt ist – ein Kleinod, das unbedingt mehr Aufmerksamkeit und mehr Besucher verdient hätte. Hier finden sich konzeptionelle Ausstellungen mit nationalen und internationalen Künstlern voller Installationen und Videos, die so manchem geistigen Frührentner heilsame Schauer über den Rücken jagen würden … wenn er nur den Weg dorthin fände. Leider trägt auch so mancher aus der junger Künstlerszene selbst mit linkselitärem Isolationismus wenig zur Breitenwirkung des Hauses bei. Werbung? Igitt!

Umso schöner fand ich die aktuelle Ausstellung namens Walden #3 oder Das Kind als Medium zum Thema Kunstpädagogik, die durch eine Kooperation mit zahlreichen Schulen nicht nur junge Leute in die Ausstellung lockte, sondern auch Kunstwerke präsentierte, die von Künstlern gemeinsam mit Kindern entwickelt wurden. Mein Favorit: Eine Künstlerin, die ihr Kind als Pinsel benutzte und das Ganze auf Film verewigte. Auch sehr schön: Ein originalgetreu rekonstruiertes nächtliches Kinderzimmer, das einem heute noch das Gruseln lehrt. Wer mal vorbeischauen möchte: auf der Hauptstraße Richtung Elbe kurz vorm „Goldenen Reiter“ rechts durch eine Unterführung. Freitags ist der Eintritt frei. Noch bis zum 03. Juni.

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2 Kommentare

  1. Unser Prozess zur Selbstverwirklichung am Tag der Auferstehung

    Hallo Micha,
    weil die Osterfeiertage wieder mal viel zu kurz, der Berliner Zoo und Knut zu weit weg und das Wetter beschissen waren, haben wir deinen digitalen Rat beherzt aufgenommen und sind deinen Spuren gen Kunsthaus Dresden gefolgt. Wie es schien, waren wir die ersten und wahrscheinlich letzten Besucher des Tages, zumindest fanden wir keine Einträge im Gästebuch. Freudestrahlend wurden wir von zwei Studenten (vermutlich der HfbK) empfangen. Geldübergabe und die anderen Formalitäten hatten wir schnell hinter uns gebracht. Der etwas unorthodoxe Aufbau des Museums war uns bereits bekannt, so dass es für uns kein Problem war, den Hinternissparcours ohne größeren Zeitverlust zu bewältigen.
    Von der ersten Installation lernten wir, wie eine Insektenfänger funktioniert, was ja im Zeitalter der globalen Erwärmung und den damit zu erwartenden Insektenplagen, irgenwann mal nützlich sein könnte. Kinder können ja so lustig sein! und nach dieser Maxime sollte es weiter gehen. Durch ein Klangparadies ging es direkt zum Kern der Sache – die ästhetische Bildung des Menschen in Europa in den letzten 150 Jahren. Irgendwie konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die vielen Versuche einer Menschenverbesserung durch Kunsterziehung leider gescheitert waren, was wir nach einem anschließenden Kaffeehausbesuch schmerzlich feststellen mussten. Schade eigentlich!
    Waren wirklich nette Sachen dabei, so auch die namensgebende Geschichte „Walden“ von H. D. Thoreau. Uns hat wieder nur das trivialste gefesselt, nämlich eine Sammlung von Bildern bei denen man den Schöpfer aus drei Kategorien (Künstler, Erwachsener oder Kind) herausfinden mußte. Ein lustiges Spiel, wenn man lange Weile hat.
    Auf dem Rückweg verirrten wir uns dann auch noch in einer Vogelfalle, in der man von multiperspektivischen Videos eines repräsentativen Querschnitts der aktuellen Nachkommenschaft terrorisiert wurde. „Ein Lied auf den Lippen und zu viel Speck auf den Rippen“ hätte man diesen Raum auch nennen können.
    Danke, der Wunsch nach eigenen Kindern verliert somit immer mehr an Gestalt.
    Unsere Freunde von der HfbK, die gerade ihre x-te Kanne Roibos-Tee leerten, verabschiedeten uns mit einem lachenden und weinenden Auge, als wir den letzten Ausstellungsraum, Schule – Willkommen in der Hölle- verließen.
    Als wir die Hauptstraße betraten, hatte sie uns wieder, „die Ästhetik der freien Welt“!

    Grüße von
    Conny und Thomas aus DD

  2. Besten Dank für euren Erfahrungsbericht, der jetzt diesen Blog bereichert. Hätte gar nicht geglaubt, dass mein kleiner Denkanstoß solche Wirkung zeigt!

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