Sehr geehrter Herr Dr. Lunau, sehr geehrter Herr Wiemer, sehr geehrter Herr Mähnert, sehr geehrte Damen und Herren des Kulturausschusses!
Es ist weder für Außenstehende noch für Kenner der Dresdner Kulturszene ein Geheimnis, dass das literarische Leben in der sächsischen Landeshauptstadt weit hinter den Möglichkeiten zurückbleibt. Unter dem Namen „Ein Literaturhaus für Dresden“ hat sich eine Initiative gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das literarische Leben in Dresden zu beleben, und die der Überzeugung ist, dass die Einrichtung eines Literaturhauses der beste Weg dazu ist.
Was kann ein Literaturhaus leisten? Seit dem Jahr 1986 wurden, zunächst in den Großstädten, bald auch in mittelgroßen Städten des deutschsprachigen Raumes, Literaturhäuser gegründet. In wenigen Jahren entwickelten sie sich als Zentren der Literaturvermittlung zu lebendigen Treffpunkten für die Dichtung und Erzählkunst der Gegenwart. Aus dem kulturellen Leben der Städte sind diese Einrichtungen heute nicht mehr wegzudenken. Ende der neunziger Jahre begann die Zusammenarbeit der Literaturhäuser an gemeinsamen Projekten wie Ausstellungen, Lesereisen und Plakataktionen. 2008 fanden sie sich in einem „Netzwerk der Literaturhäuser“ zusammen, das – mit Hilfe zahlreicher Stiftungen – gemeinsame Projekte verwirklicht.
Für die Einrichtung eines Literaturhauses sprechen u.a. folgende Argumente:
1. Die bestehenden literarischen Institutionen sind nicht ausreichend. In Dresden existiert bisher kein öffentlich geförderter Ort, der zum Zentrum zeitgenössischer Literatur geworden wäre und überregionale oder auch nur regionale Ausstrahlung entwickelt hätte. Das Dresdner Literaturbüro, auf das sich die öffentliche Förderung konzentriert, ist auf Grund seiner räumlichen Situation und seiner organisatorischen Verflechtung mit dem Erich-Kästner-Museum nicht geeignet, die Rolle eines Literaturhauses zu übernehmen.
2. Die Finanzierung eines Literaturhauses ist möglich. Für die Musik gibt es in Dresden ein weltberühmtes und hochsubventioniertes Opernhaus sowie zwei Spitzenorchester. Mehrere große Kunstsammlungen widmen sich der Bewahrung und Förderung der Bildenden Kunst. Jedoch gibt es keinen öffentlichen Ort für die Literatur. Ein Blick auf den Kulturetat der Stadt Dresden zeigt deutlich, dass die Kultursparte Literatur in geradezu lächerlicher Weise unterfinanziert ist. Eine bessere Ausstattung wäre lediglich eine Frage der Prioritätensetzung. Die gesellschaftliche Relevanz, welche die Literatur besitzt, müsste endlich auch von den politisch Verantwortlichen wahr- und ernstgenommen werden.
3. Ein Literaturhaus führt zu Synergieeffekten für die gesamte Literaturszene. Es wäre falsch anzunehmen, ein Literaturhaus würde bestehenden Institutionen Besucher wegnehmen. Die Erfahrungen aus Städten, in denen Literaturhäuser eingerichtet wurden, zeigen eindeutig etwas anderes: Die Literaturszene insgesamt wird belebt, durch Synergieeffekte profitieren alle Akteure des künstlerischen Lebens, vor allem das interessierte Publikum. Aber auch durch spartenübergreifende Projekte mit bildenden Künstlern, Schauspielern oder Musikern können neue, kreative Projekte realisiert werden.
Wir fordern ein Literaturhaus Dresden im Gelände des Kulturkraftwerks Mitte. Um das literarische Leben vielfältiger, publikumswirksamer und erfolgreicher zu gestalten, ist zunächst eine offene Diskussion über Lage und Perspektiven nötig. Ein Runder Tisch aller Beteiligten aus städtischer Politik und Kulturförderung mit Vertretern literarischer Institutionen, Verlegern, Buchhändlern und Autoren wäre ein guter Anfang auf dem Weg zu einem Literaturhaus im Kraftwerk Mitte. Die chronische Unterfinanzierung der Kultursparte Literatur in Dresden und die Einseitigkeit der bestehenden Förderung müssten in einem Dialog kritisch hinterfragt werden. Die Pläne zur Einrichtung eines Kulturkraftwerks Mitte bieten mit Sicherheit eine Chance, auch die Idee eines Dresdner Literaturhauses zu verwirklichen. Ähnlich erfolgreich wie im Fall der Kulturbrauerei in Berlin könnte ein Literaturhaus hier im Verbund mit Institutionen anderer Sparten einen geeigneten Ort finden. Eine möglichst breite gesellschaftliche Diskussion darüber wäre wünschenswert.
Erstunterzeichner:
Uwe Tellkamp (Autor)
Thomas Rosenlöcher (Autor)
Leif Greinus (Verleger, Verlag Voland & Quist)
Volker Sielaff (Autor)
Jörg Stübing (Buchhändler, „Büchers Best“ )
Michael Bittner (Autor)
Christian Bahnsen (Buchhändler, „Buchhandlung im Kunsthof“)
Undine Materni (Autorin)
Helge Pfannenschmidt (Verleger, Edition Azur)
Jörg Scholz-Nollau (Buchhändler, Buchhandlung „LeseZeichen“)