Ohne mein Verlangen erreicht mich eine Pressemitteilung aus Chemnitz von „poetbewegt – Wettbewerb für junge Literatur“:
Die Finalisten stehen fest. Nach fünf Stunden konnten sich am Sonntag, dem 26. September, die elf anwesenden Juroren auf die zehn (jungen) Autoren einigen, die nun gemeinsam – aber auch gegeneinander – das Finale des „poetbewegt Wettbewerb für junge Literatur“ austragen.
Du lieber Himmel, es braucht elf anwesende Juroren, um zehn Poeten auszuwählen? Da kann man ja von Glück sagen, dass nicht auch noch die abwesenden Juroren eingetroffen sind! Der Wettbewerb wird hoffentlich so spannend werden wie das Finale im Sommer, in dem Spanien und Holland gemeinsam, aber auch gegeneinander spielten.
Besonders in der Kategorie „Lyrik“ fiel es diesmal weniger schwer die Finalteilnehmer auszuwählen. Nur wenige Gedichte überzeugten. Allen Lyrikern, die nicht ausgewählt wurden, geben die Juroren den Rat mit auf den Weg es weiter zu probieren, sich zu verbessern und mehr (zeitgenössische) Lyrik zu lesen.
Du lieber Himmel! Man schiebt als Veranstalter so eines Provinzpoesieevents offenbar ganz schön Frust, sonst müsste man den Hobbylyrikern doch wohl nicht noch nachträglich einen verbalen Arschtritt verpassen. Ich würde jungen Poeten übrigens empfehlen, gar keine zeitgenössiche Lyrik zu lesen.
Die Empfehlung an die Lehrer auch im Deutschunterricht mehr Lyrik zu lesen, wurde ebenfalls ausgesprochen.
Da werden die Lehrer aber ganz schön Augen machen! Endlich bläst ihnen mal die Chemnitzer Lyrikpolizei ordentlich den Marsch! Ich wünsche den jungen Autoren viel Glück. Dem Autor der Pressemitteilung gebe ich den Rat mit auf den Weg, sich einmal näher mit den (zeitgenössischen) Regeln der Kommasetzung zu befassen.
Ich war vor vier Jahren beim allerersten Poet-bewegt-Wettbewerb einer der vielen Juroren. Mir ist es damals schwer gefallen, aus über 300 Einsendungen die geforderten zehn Finalisten auszuwählen. Fast hätte ich schon nach etwa 30 gelesenen Texten entnervt aufgegeben, so geballten Emo-Weltschmerz vertrage ich nicht. Doch dann kam ein wunderbarer Text von Josef Maruan, wenig später einer von Franziska Wilhelm, die damals noch keine Karriere als Slammerin begonnen hatte. Das wars dann aber auch schon fast an nennenswerten Einsendungen. Der Deutschunterricht scheint heute tatsächlich ungeeignet zu sein, Autorennachwuchs zu inspirieren.
Dass bei allen Literaturwettbewerben Unmengen von Unreifem eintrudeln, scheint mir selbstverständlich. Die Veranstalter sollten aber doch, so denke ich zumindest, die Souveränität haben, dies mit Schweigen zu übergehen, und sich nicht selbst zu Oberlehrern aufwerfen, die mit Sicherheit überhaupt niemand zu irgendetwas inspirieren.
Als ich im letzten Jahr nominiert war, kamen mir die Klagen über mangelnde Qualität schon zu Ohren. Für meine Begriffe liegt die Ursache dafür weniger bei den Autoren als beim Kunstverständnis der Juroren, welches aus der Juryvorstellung auf der Internetpräsenz des Poet-Bewegt-Preises herauszulesen ist. So schreibt Juror Ünsal Öksüz, Kunst habe keine Aufgabe. Sein Plädoyer für die Sinnleere nivelliert auch jede Relevanz der Literatur. Wenn die Autoren einem solchen „KunstUNverständnis“ nicht nachkommen, sollte mich das außerordentlich freuen. Das ist kein Anzeichen für mangelnde Qualität, sondern dafür, dass die literarische Praxis glücklicherweise noch anders beschaffen ist, als sich die Juroren das wünschen. Es lässt hoffen, wenn junge Autoren nicht den Weg „moderner“ Lyrik gehen, die sich derart vor „Aufgaben“ und dem Publikum zu scheuen scheint, dass sie aus der öffentlichen Wahrnehmung fast gänzlich verschwunden ist.
Geehrter Herr Hetze, vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ich möchte aber noch klarstellen, dass ich mich in meinem Text nicht mit der Qualität des Wettbewerbes oder der Autoren befasst habe, die ich nicht kenne, sondern nur mit der Außendarstellung.
Ich stimme Ihrer Kritik bezüglich der Außendarstellung gerne zu. In meinem Kommentar wollte ich nur ergänzend darauf hinweisen, dass die Außendarstellung nicht nur in Bezug auf den angeblichen Qualitätsmangel problematisch ist, sondern dass aus meiner Sicht auch der Qualitätsmaßstab, der nach außen hin kommuniziert wird, bereits kritisch zu sehen ist (womit ich mich Ihrem Rat bezüglich moderner Lyrik anschließe). Die tatsächliche Qualität von Wettbewerb und Autoren wollte und kann auch ich nicht beurteilen. In jedem Fall begrüße ich die Denkanstöße, die Sie in Ihrem Beitrag geben.