Satire im Vergleich

„Humorkritik“ – so heißt eine der lesenswertesten Rubriken im Satiremagazin TITANIC. Wie sieht’s aber mit der Kritik der Branche der satirischen Zeitschriften selbst aus? Hier daher mein ganz persönlicher Rezensionsrundblick auf Grundlage der Augustausgaben des „endgültigen Satiremagazins“ TITANIC, des „Satiremaganzins“ EULENSPIEGEL und „Deutschlands führender Satirezeitschrift“ pardon.

Was genau an pardon „führend“ sein soll, erschließt sich dem Leser nicht auf Anhieb. Die Auflage ist es sicherlich nicht, wohl schon eher der Ruf der Zeitschrift: Mit bis zu 1,5 Millionen Lesern war die Zeitschrift in den sechziger und siebziger Jahren das größte Satiremagazin Europas. Dann aber spaltete sich ein Teil der Redaktion, bekannt geworden als „Neue Frankfurter Schule“, ab und gründete TITANIC. 1980 verließ auch Chefredakteur Hans A. Nikel die Zeitschrift, die wenig später eingestellt wurde. Wiederbelebt wurde das Magazin nun 2004 unter altem Namen und Logo von Verleger, Chefredakteur, Autor und Zeichner Bernd Zeller, der früher sein Brot als Gagschreiber und Quoten-Ossi für Harald Schmidt verdiente. Nach dessen Angaben versteht sich pardon als Alternative zur vermeintlich zu unpolitisch gewordenen TITANIC – ein Anspruch, der den Texten nicht unbedingt gut tut. Die Beiträge lesen sich allesamt angestrengt verkopft und könnten als FAZ-Kolumnen durchgehen. Das Titelbild ist gleich ganz humorfrei. Thematisch scheint man sich mit geradezu dänischem Mut besonders des Kampfs gegen den Islamofaschismus angenommen zu haben – die Bedrohung durch Muslime muss im Verlagsort Jena inzwischen sehr zugenommen haben. Als ich das letzte Mal dort war, begegneten mir noch keine. Lichtblicke in der auch grafisch sehr drögen Ausgabe waren die unbeschwert komischen Beiträge von Björn Högsdal, bekannt von Lesebühnen und Poetry Slams. Überhaupt merkwürdig, dass diese Szene von der satirischen Presse bis dato kaum wahrgenommen wird.

Deutschlands auflagenstärkste, aber immer noch vor allem im Osten beheimatete Satirezeitschrift ist der EULENSPIEGEL. Wer sich vom scheußlichen Titelbild von Peter Muzeniek nicht abschrecken lässt und das Magazin aufblättert, ist angenehm überrascht: Das Heft bemüht sich sichtbar, keinen allzu ostalgischen Anschein zu erwecken. Die langweiligen Karikaturen von Reiner Schwalme und Freimut Woessner erinnern zwar unangenehm an die letzte Lektüre der Sächsischen Zeitung. Aber zum Ausgleich gibt es auch sehenswerte Vertreter ihres Genres wie Guido Seiber, der vor den negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Nazis warnt („Sonnenbrandglatzen“). Leider übt sich der EULENSPIEGEL in der verzichtbaren Unsitte, Leserbriefe zu veröffentlichen. „Euer Heft ist echt toll“, „Endlich kann ich Euch auch in Castrop-Rauxel am Kiosk kaufen“ usw. usf. Die eigentlichen Textbeiträge sind von unterschiedlicher Qualität. Positiv fiel mir Wolfgang Mocker auf, der in einem Text über das deutsch-polnische Verhältnis die gegenseitigen Vorurteile lustvoll von innen heraus dekonstruierte. Schön obszön war ein Text von Florian Kech, der über ein baldiges „Wichsverbot“ spekulierte. Wie man den Zeilen entnehmen konnte, ist der Autor mit den Auswüchsen der Anti-Onanie-Kampagne des 18. und 19. Jahrhunderts vertraut. In der nächsten Ausgabe gibt’s bestimmt empörte Leserbriefe.

Es hilft alles nichts: Das beste deutsche Satiremagazin ist nach wie vor TITANIC. Selbst die sinnfreisten Provokationen sind noch zehnmal subversiver als alle angestrengten Polit-Essays der pardon zusammen. Schon der Titel: Ein Bild von Osama bin Laden mit der Überschrift: „Hoffnung in Deutschland: Kann er SCHÄUBLE stoppen?“. Ein schönes Beispiel für den maliziösen Charme des Magazins, der den beiden braven Konkurrenten leider ganz abgeht. Natürlich gibt es auch unangenehme Erscheinungen, insbesondere Martin Sonneborn mit seiner langweiligen und nimmer enden wollenden PARTEI-Aktion, dessen Humorverständnis unangenehm an den jungen Goebbels gemahnt. Immer noch zumeist Highlights sind die Texte von Max Goldt – wenn auch in dieser Ausgabe mal nicht. Einen lesenswerten Geburtstagsgruß an Fidel Castro sendet Dietmar Dath. Und wirklich ganz und gar unverzichtbar bleibt die Eröffnungsrubrik „Briefe an die Leser“ mit ihren wunderbar persönlichen Abrechnungen. Den Literaturfreund schließlich freut, dass unter dem Titel „Offenbacher Anthologie“ endlich einmal der dichterische Dünnbrettbohrer Joachim Sartorius ins Visier genommen wird. Gesamtnote für TITANIC: 3+.

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