Es naht der 13. Februar, mit ihm der Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch alliierte Bomber im Jahr 1945, bei der die Dresdner Innenstadt zerstört und vermutlich zwischen 25000 und 40000 Menschen getötet wurden. Der Jahrestag ist zugleich wie in jedem Jahr Anlass für die wüstesten politischen Auseinandersetzungen, die unser geruhsames Provinzstädtchen zu bewältigen hat. >>> Mit gleich zwei Karnevalsumzügen nutzen die Nazis 2008 das Datum für ihre Zwecke: sowohl am 13. Februar als auch am 16. Februar marschieren sie durch die Stadt. Auf eine breite Front von Gegnern werden sie auch in diesem Jahr nicht stoßen. Und dies nicht nur, weil die Dresdner Bürger zu Hause bleiben werden oder lieber shoppen gehen, sondern weil selbst die wenigen Engagierten in Dresden sich in zwei feindliche Lager teilen.
„SELBER SCHULD!“ – Unter diesem Motto ruft die Dresdner Antifa in diesem Jahr hier und da zu ihren Demonstrationen auf. Dabei geht es nicht nur gegen die Nazis, sondern bewusst auch gegen jedes Gedenken an die deutschen Opfer. Dieses Gedenken sei nämlich „Geschichtsrevisionismus“ und müsse verhindert werden, denn: „Deutsche TäterInnen sind keine Opfer!“ Die „bürgerlichen“ Trauerveranstaltungen, selbst wenn sie sich explizit gegen die neofaschistische Instrumentalisierung des Gedenkens richten, seien lediglich Versuche, die „notwendige Bombardierung“ Dresdens zum „Kriegsverbrechen“ umzufälschen, um einen deutschen „Opfermythos“ zu schaffen und die Deutschen von ihrer geschichtlichen Schuld zu befreien. Dieser Sichtweise folgend werden Versuche wie die „Demokratie-Meile“ der demokratischen Parteien oder die zivilgesellschaftliche Initiative Bürger.Courage als „scheinbar geläutertes Denken der Dresdner Öffentlichkeit“ bewertet, das „die Opfer des Nationalsozialismus völlig opportunistisch für sich nutz[e]“.
Um diese Gedankengänge nachzuvollziehen, muss man sich vor Augen führen, dass die Dresdner Antifa von Menschen bestimmt wird, die man im Volksmund als „Anti-Deutsche“ bezeichnen würde. Sie gehen von der radikalen These der Kollektivschuld der Deutschen aus und tragen damit zu jener Mythologisierung der Geschichte bei, die von den Neonazis – unter umgekehrtem Vorzeichen – ebenfalls betrieben wird. Frei nach Wolfgang Neuss fordern sie, dass Frankreich an Polen grenzen sollte. Glücklicherweise müssen diese Jungs und Mädels sich mit der Schuld für die Shoa im Gegensatz zu jenen „Deutschen“ nicht herumschlagen – sind sie doch Anti-Deutsche! Ein bequemer Weg, sich aus der Verantwortung zu stehlen und sich selbst als personifiziertes gutes Gewissen zu präsentieren. Ob sie selbst merken, dass sie dem alten Schnauzbart damit nachträglich noch Recht geben, der ja immer behauptet hatte, dass die Linken vaterlandslose Gesellen seien? Die Idee, das deutsche Volk müsse kollektiv dafür leiden, Hitler die Macht übertragen zu haben, hatte übrigens im Exil schon Thomas Mann: Wenigstens eine halbe Million Deutsche müsse man nach dem Krieg schon hinrichten, habe er gemeint, berichtet Bertolt Brecht – voller Abscheu.
Dass der Mythos, Dresden sei als militärisch unbedeutende Kunst- und Kulturstadt völlig grundlos bombardiert worden, auf den Müllhaufen der Geschichte gehört – daran kann es keinen Zweifel geben. Ob man deswegen „Bomber-Harris“, der sich übrigens schon zuvor Verdienste durch die Bombardierung der Zivilbevölkerung in aufständischen britischen Kolonien erwarb, bejubeln muss, scheint mir zweifelhaft. Ob der Luftangriff auf Wohngebiete militärisch sinnvoll war, spielt für seine Opfer keine Rolle. Dass die Trauernden mit ihrem Gedenken allesamt die Kriegsschuld der Deutschen leugnen wollen, ist lächerlicher Unsinn. Die Dämonisierung der „Deutschen“ trägt genauso irrationale Züge wie die Verherrlichung des „deutschen Wesens“. Ein früher Verfechter der Kollektivschuldthese war bekanntermaßen Hitler: die Niederlage des deutschen Volkes beweise, dass es seiner nicht würdig gewesen sei und nun verdientermaßen zu Grunde gehe. War Hitler der erste Anti-Deutsche? Ach nein, er war ja Österreicher …
wie lautet eigentlich die aktuelle version über „sinn“ oder funktion des bombardements? moral der bevölkerung brechen? (gab es da noch etwas zu brechen?) phosphor am lebenden objekt studieren?