Die Dresdner Leere

Apokalyptische Nachrichten verkündet zur Zeit die Dresdner Presse: Die Touristenzahlen sind im Vergleich zum Vorjahr schon wieder um 15% gesunken, nachdem schon im letzten Jahr ein Einbruch zu verzeichnen war. Nach dem Höhenflug zur Weihe der Frauenkirche, zur Eröffnung des Grünen Gewölbes und zum Stadtjubiläum folgt nun die Bruchlandung. Die Hotels sind nur noch halb voll, obwohl gleichzeitig immer noch immer neue Luxusherbergen aus dem Boden gestampft werden. Erste gastronomische Einrichtungen, die sich in der Hoffnung auf berauschende Profite am Neumarkt neben der Frauenkirche angesiedelt hatten, sind pleite und müssen schließen. Dabei wurde doch Dresden von interessierten Kreisen schon zur „dynamischsten Stadt Deutschlands“ hochgejubelt!

Nun rätselt der Sachse, woran es denn liegen könnte. Das brachte aber Peter Ufer von der Sächsischen Zeitung schon treffend auf den Punkt: „Von nichts kommt niemand.“ Nachdem die Vertreter fast aller Parteien vor den Barock-Fetischisten von der Gesellschaft Historischer Neumarkt eingeknickt sind, wird die Dresdner Innenstadt planmäßig zum Freilichtmuseum umgebaut. In der ganzen Altstadt sieht man, abgesehen von den schlecht gelaunten Kellnerinnen, keinen einzigen Dresdner mehr. Das merken natürlich auch die Besucher, die tagsüber lieblos an den „historischen“ Fassaden vorbeigeschleust und wieder in den Reisebus gesteckt werden. Nachts ist das Zentrum so tot wie ein Aldi-Parkplatz in Dresden-Prohlis.

Wer ist der typische Dresden-Tourist? Ein Hamburger Rentnerehepaar, das in der Reisegruppe mit dem Bus anreist, die Altstadt gezeigt bekommt und auch nie über deren Grenzen herauskommt, die Madonna mit den Engelschen anschaut, den Freischütz oder die Zauberflöte in der Semperoper durchsteht, genau ein Wochenende bleibt und nicht mehr wiederkommt. Junge Leute werden von dem geriatrischen Image, das sich Dresden selbst durch aufwändiges Marketing zugelegt hat, abgeschreckt. Internationale Gäste sind ebenfalls unterrepräsentiert – über die Gründe könnte man viel spekulieren. Und warum sollte man auch öfter kommen oder länger bleiben?

Das, was in Dresden wirklich lebendig und interessant ist, kennen nur die Dresdner – und auch von denen nur wenige. Dabei täten Gäste aus allen Landen – nicht nur als Touristen – dieser Stadt unheimlich gut. Sonst macht irgendwann der letzte Dresdner als Museumswärter seiner eigenen Stadt das Licht aus.

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7 Kommentare

  1. ziehe den hut vor „geriatrisches image“!
    (sehr gelacht)
    aber man soll nicht nur kritisieren und lachen, sondern auch vorschläge machen:
    die loveparade 2009 auf booten und flößen durchs erbe!

  2. Freibier in der Neustadt?
    Ein Pranger?
    Naksche Mädlz am Fürstenzug?
    Lesebühne Sax Royal vor der Semperoper, jeden Monat?
    Ahhhh, ich hab’s…Michael Bittner als Stadtführer: Seine diesbezügliche hat er damals bei Klub Kryptonym Sparce schon bewiesen (Holger, der Bekloppte etc.)!

  3. Immer diese Forderungen: Mach’s doch besser!

    Leute, ich empfehle zur Lektüre den Aufsatz von Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt

  4. na, nu ma nich tiefstapeln, micha. lessing meint sicher den gemeinen, unbegabten, talenteneidenden rezensenten, eine art gehobener leserbriefschreiber… du bist ein lesebühnenautor!

  5. Nee, nee, Lessing meint gerade den guten Kritiker, der sich nicht einbildet, die Dinge besser zu können als die Praktiker und Spezialisten, aber trotzdem nicht darauf verzichtet, diesen bei gehörigem Anlass den Marsch zu blasen.

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