Kunsttipp: Neue Sachlichkeit in Dresden

Wenn ich hier in letzter Zeit öfter begeistert von ausschließlich schönen Sachen aus Kunst und Kultur berichte, so liegt das nicht daran, dass ich zunehmend alles toll finde, sondern dass mir immer mehr die Lust schwindet, mich mit beschissenem Zeug auch nur noch zu befassen. Außerordentlich lohnenswert ist hingegen die neue Ausstellung „Neue Sachlichkeit in Dresden. Malerei der Zwanziger Jahre von Dix bis Querner“, die die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Lipsiusbau zeigen. Glaubte man bisher, dass auf Grund der massiven Verluste durch Nazi-Vandalismus und Kriegsschäden eine Dokumentation dieser Dresdner Kunstepoche gar nicht möglich sei, beweist diese Schau mit ihrer geradezu überwältigenden Fülle das Gegenteil.

„Neue Sachlichkeit“ als Terminus für die Kunst und Literatur der zwanziger und dreißiger Jahre ist wie alle Etikettierungen nicht unproblematisch. Deutlich lässt sich zwar eine Abkehr von metaphysischen Pathos des Expressionismus und ein allgemeiner Trend zur realistischen Auseinandersetzung mit der Realität wahrnehmen, doch zeigen sich innerhalb dieses Trends wieder deutlich voneinander abweichende Strömungen. Für eine Reihe von Künstlern ist die Abkehr vom Expressionismus vor allem ein ästhetisches Unternehmen, das in der Besinnung auf altmeisterliche Techniken der Malerei besteht. Besonders auf dem Gebiet des Porträts zeigen sich hier herausragende Leistungen. Eine andere Partei ordnet die Kunst als Waffe hingegen radikal der politischen Absicht unter: Die Mittel dieser – oft kommunistisch oder anarchistisch engagierten – Maler sind neben mitfühlendem Realismus vor allem Groteske und Satire. Das Proletariat wird in der Würde der Armut und Arbeit gezeigt, das Bürgertum hingegen in der Unwürde unverdienten Reichtums. Militärs, Kapitalisten und die Repräsentanten der aufkommenden Nazi-Bewegung werden karikiert.

Im Werk von Otto Dix, dem wohl bedeutendsten in der Ausstellung vertretenen Maler, überschneiden sich beide Richtungen. Daneben beeindruckt natürlich auch nicht minder George Grosz. Aber auch weniger bekannte Maler, von deren Frühwerk oftmals nur noch wenige Bilder erhalten sind, kann man hier erstmals oder zumindest aus neuer Perspektive entdecken, so Otto Griebel, Hans Grundig, Wilhelm Lachnit, Bernhard Kretzschmar, Curt Querner, Rudolf Bergander und Willy Wolff.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 08. Januar 2012.

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2 Kommentare

  1. Als ehemalige Kustodin der Gemäldegalerie Neue Meister muß ich mit 81 Jahren immerwieder korrigieren, daß man in dieser Ausstellung die zuletztgenannten Künstler „erstmalig“ sehen könne. Wenn man hinzufügt „nach der Wende“ so wird daraus ein Schuh. Ich sage „immerwieder“und ich wiederhole es, denn die Deponierung so vieler Kuknstwerke in den letzten 20 Jahren fand niemals meine Anerkennung. Sehen Sie dazu im Netz „virtuelle Galerie Dresden“ und „virtuelle Galerie Dresden, Fotogalerie“. Dr.Waltraut Schumann

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