Mitteldeutsches Mittelmaß

Vor einer Weile wurde Udo Reiter, der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, wieder einmal von den Gremien, die dafür zuständig sind, ihn im Amt zu bestätigen, im Amt bestätigt. Der seit 1991 amtierende Reiter wird damit am Ende seiner nächsten Amtszeit bis 2015 insgesamt 25 Jahre amtiert haben – mindestens! Eine amtliche Leistung, herzlichen Glückwunsch hierzu auch von mir. Regentschaften von einem Vierteljahrhundert konnten ja früher bestenfalls Staatsratsvorsitzende vorweisen. Warum auch nicht? Der MDR ist beständig das erfolgreichste aller dritten Programme, sagen Menschen, die Erfolg an Einschaltquoten messen. Ich nehme an, diese Leute messen den Erfolg von Liebe auch an der Zahl gestopfter Socken.

Bin ich eigentlich der Einzige, dem schon beim Wort „Mitteldeutschland“ Schauer des Unbehagens über den Rücken laufen? Wenn wir in Mitteldeutschland leben, wo beginnt denn dann eigentlich der Osten? Will denn gar keiner mehr dieser jugendlichen Himmelsrichtung  angehören? (Sogar der ehemalige Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg hat sich ja vor einer Weile mit den Berlinern vereinigt, um sich den Osten aus dem Pelz zu waschen.) Schon tippt einem der erste Heimatforscher auf die Schulter: „Mitteldeutschland ist eine traditionelle Kulturregion mit gewachsener geschichtlicher Identität, die …“ – „Schon gut, braver Mann!“, beruhige ich ihn, „Aber muss man denn immer so gar eifrig zuerst an die Vergangenheit denken?“ Aber er hört meine Frage nicht mehr, ist schon durch die Tür und ruft nur noch zum Abschied: „Entschuldigen Sie mich, aber ich darf die Helga-Hahnemann-Gedächtnisgala heute Abend im MDR nicht verpassen!“

Beim Radio bietet der MDR glücklicherweise eine Auswahl, in der ein Hörer das findet, wonach ihm der Sinn steht: Wer aktuelle Nachrichten hören will, schaltet MDR Info ein. Wer anspruchsvolle Kultur hören will, entscheidet sich für MDR Figaro. Und wer schlechte Musik hören will, für den gibt es MDR 1 Radio Sachsen. Beim Fernsehen mangelt es leider an solchen Alternativen – hier muss der Sachse mit gewohntem Einheitsprogramm Vorlieb nehmen. Und da wird dann im Dauereinsatz gelächelt, geschunkelt und gejodelt. Eine einzige ansprechende Sendung für Jugendliche sucht man hingegen im ganzen Programm vergebens.

Und dann dürfen gut bezahlte Marktforschungsinstitute alle Jahre wieder herausfinden, woraus der Zuschauerschwund bei der jüngeren Zielgruppe resultiert. Man munkelt, die öffentlich-rechtlichen Sender hätten den Kampf um die jungen Zuschauer sowieso schon endgültig verloren gegeben. Die neue Divise laute jetzt: „Die Alten halten!“ Ob den Verantwortlichen bewusst ist, dass diese Ressource nur begrenzt zur Verfügung steht? Einen Alten haben sie immerhin auf alle Fälle schon gehalten.

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5 Kommentare

  1. eh micha, gründen wir das DOD (demokratisches ostdeutschland)? zugegeben: wir haben keine ziele! aber das ist bei anderen auch so…

  2. sehr gut, das theoretische fundament ist gelegt…nu noch personalien klären: wen stellen wir vorne ran? mann oder frau? mit oder ohne osthintergrund? reicht auch: „wohnt seit 10 jahren im osten“? oder: „mußte unter stasiaufsicht windel abschwören!“…
    ich selbst würde mich gern zurückhalten, will nicht mit fotografen am zaun morgens aufwachen bzw. mittags…

  3. Ich denke, wir nehmen Henry Nitzsche. Wenn der alle Mitglieder seiner Partei mitbringt, haben wir unsere Stärke schon fast verdoppelt.

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