Vorgestern hörte ich im Deutschlandfunk einen interessanten Bericht über einen jungen Mann aus Zittau, nennen wir ihn mal „Heiko“, der nach sechs Jahren der Ausbildung und Arbeit in Bayern in seine Heimat zurückgekehrt war – und das bei niedrigeren Löhnen und längeren Arbeitszeiten und … wie gesagt, nach Zittau. Der Journalist musste aus Heikos Geschichte leider in der üblichen Weise einen „Trend“ basteln, um seinen Bericht verkaufen zu können: Angeblich kehrten tausende junger Ostdeutscher ihrem beruflichen Exil, in dem sie stets Fremde geblieben seien, den Rücken und kehren heim ins boomende Ostdeutschland. Grund dafür seinen auch die „Rückholaktionen“, die die ostdeutschen Länder inzwischen gestartet hätten – so wirbt etwa die Oberlausitz auf der sehr sehenswerten Homepage SACHSE KOMM ZURÜCK um abgewanderte Facharbeiter.
Wie schon unser Name sax royal Die Dresdner Lesebühne verrät, können wir nicht zurückkehren – wir sind nämlich noch gar nicht weg. Warum, fragt jetzt vielleicht so mancher, wollt ihr denn aber überhaupt fort aus der blühenden Zukunftsstadt Dresden mit all ihren Möglichkeiten? Ganz einfach: Weil einem als Autor immer schmerzlicher bewusst wird, dass Dresden die Analphabetin unter den Städten ist. Die Literatur spielt in der Dresdner Öffentlichkeit keine Rolle, von den Dresdner Autoren ganz zu schweigen. In Dresden verirren sich zu Lesungen von Ingo Schulze oder Thomas Brussig fünfzig Leutchen, das muss man erstmal schaffen! Zu anderen verirrt sich gar niemand. Und wenn Events wie unsere Lesebühne oder der Poetry Slam im Gegenteil hunderte von jungen Leuten anziehen, dann interessiert sich wiederum der offiziöse Kulturbetrieb dafür nur recht wenig. Und außerhalb der „Elbmetropole“ interessiert sich ohnehin kein Schwein dafür, was hier geschieht, wenn nicht gerade eine Brücke gebaut oder NPD gewählt wird. Ach, was soll die Sachlichkeit: Dresden kotzt mich an! Ich will hier weg! Wer bezahlt mir einen Umzug?
Doch dann kommt der bescheidene Poet wieder zur Besinnung: Vielleicht ist es doch besser hier zu bleiben und die stille und hartnäckige Untergrundarbeit fortzusetzen. Dann besteht immerhin nicht die Chance, irgendwann mal reumütig bei „Sachse komm zurück“ anklopfen zu müssen …
Eigentlich könntest Du bei “Sachse komm zurück” anklopfen. Immerhin bezieht sich die Präsenz ja nur auf die Oberlausitz, dem geliebtem Ort Deiner Kindheit, nicht generell auf Sachsen. Allerdings kann ich Dir nicht garantieren, dass es dort wesentlich provinzieller zu geht als im schönen Dresden, falls es das sein sollte, was Du suchst. Für die Oberlausitz spricht übrigens, dass Udo Tiffert dort sein festes Domizil errichtet hat.
Richtig! Die souveräne Standortwahl ist die Mutter jeden Erfolges. Was soll man auch in einer boomenden Gegend, in der das Geld längst aufgeteilt ist, die Kommunalpolitiker, eingeladen in großzügig renovierte Villen, den Großkonzernen 120 Prozent aller Fördermittel (100 gleich, 20 über Nachtragshaushalt) in den Rachen werfen, sich im eigenen an Champus und Dummstellen verschlucken? Nein, man geht in die Oberlausitz, hofft 16 Stunden am Tag auf den Breakeven, schultert die sechsstelligen Gewinne, dann läuft die Kuh von allein vom Eis und man packt sie nur noch in trockene Tücher. Hah! Udo