Über Silke Scheuermanns Lyrik

In einem heftigen Stammtischgefecht Roman Israel gegen Stefan Seyfarth ging es gestern um eine stadtbekannte Autorin, die kürzlich für den Bachmannpreis nominiert wurde, Silke Scheuermann. Während Stefan nahezu über diese Frau ins Schwärmen geriet, vertrat ich, um meinem Ruf als chronischer Nörgler gerecht zu werden, die entgegengesetzte Position:

Silke Scheuermann wagt sich in ihrem Lyrikdebüt „Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen“ (erschienen 2001 in der edition Suhrkamp) an Themen heran, die mich an Lehrbuchaufgaben aus meiner Schulzeit erinnern: Schreib ein Gedicht über ein Ereignis, das dich innerlich sehr berührt hat (z.B. über eine Möwe, die von einer Öltankerkatastrophe überrascht wurde)! Führe vorher ein Brainstorming durch und diskutiere deine inneren Gefühle im Klassenverband!
Dabei schafft sie es, den Leser mit Belanglosigkeiten von größter Güte zu langweilen. Sie versucht dies wettzumachen, indem sie so kryptisch und leser-unfreundlich wie möglich schreibt. Satzzeichen fehlen (ein überaus genialer Einfall, der schon Ende der 80er aus der Mode war). Zusammengehörige Satzteile müssen erst mühevoll zusammengesucht werden. Formulierungen sind so unpräzise und nichtssagend, dass sie jeder Deutschlehrer mit einem rotem A am Heftrand ankreiden würde: „Tohu-wa-bohu schwarz“, „Bin doch die kränkliche / Möwe im Nebenbett (!) aus Sand […]“.
Dazu kommen tausende Kindergartenvergleiche wie: „Rhythmisch wirft das Meer / […] Blasen.“, „So bist du schön / wie eine Welle“. Unprofessionell wirken auch die äußerst unbeholfene Konstruktionen: „Meine Angst die / die Angst durch ihr Streicheln verstört hat“ und „Meine Hand die / die Welt mit Abstand betastet / hält inne und / wird knöchelweiß wiedergeboren“. Das ist dermaßen schlecht, dass es fast aus der Feder meines jungen Schriftstellerkollegen Gülz stammen könnte. Ich behaupte deshalb: Jede Schülerin im Alter zwischen 13 und 16 Jahren ist in der Lage, bessere Gedichte als Silke Scheuermann zu schreiben, die 2001 bekanntlich den Leonce-und-Lena-Preis zugesprochen bekommen hat.

Fazit zur Autorin: Die Gedichte von Silke Scheuermann sind prozesslose wabernde Gebilde. Sie stehen auf drei Beinen und drohen jederzeit umzukippen.
Allgemeines Fazit: Autoren vom Schlage Silke Scheuermann haben es in den letzten 20 Jahren geschafft, die Lyrik auf dem Buchmarkt in eine Bedeutungslosigkeit von ungeahntem Ausmaß hineinzumanövrieren, von der sie sich nicht mehr erholen wird.

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6 Kommentare

  1. naja, naja, finde für die gegenkritikpunkte gibt es weit schlimmere beispiele als silke, wenn was aus der mode ist: umso besser! und die grabschaufler für lyrik sind noch immer die deutschlehrer, die schaufeln nicht nur, die stechen auch ihre messer in die niere der lyrik und treten ans rückgrat, daß sie auch wirklich fällt … nich schön

  2. 1) sicher gibt es schlimmere beispiele, nur sind die nie für irgendwas nominiert worden
    2)es hat auch früher schon deutschlehrer gegeben und trotzdem gab es mal bessere zeiten für lyrik

  3. 1)gibt es viele rätselhafte nominierungen und preisträger oder völlig unrätselhafte kumpanei von welchen die Jahreeee im Geschäft sind und Ziehkindern, egal … die sind da, wir sind hier
    2) haben wir schlechte zeiten für lyrik?

  4. 2)ich glaube ja. man braucht nur hunderte prosawettbewerbe (mit hohen preisgeldern) den eher wenigen und meistens schwach dotierten lyrikwettbewerben entgegenstellen. außerdem haben nur noch selten verlage interesse daran, lyrik zu drucken. selbst zeitschriften winken lächelnd ab. der markt steht auf prosa!

  5. okay, fürchte daß das so stimmt. Also was ist zu tun? Ich habe kürzlich auf die Frage was mir von Lyrik-prosa-kabarett am liebsten sei, ohne zu überlegen geantwortet: lyrik ist doch noch immer das beste! Also was tun? Wenig aber gut schreiben, selber drucken, Lyrikfans davon informieren, vortrags-vermittlungswege überdenken um liebhaberkreis zu erweitern oder vorhandenen zu bündeln, aber ich glaube gut schreiben ist am wichtigsten

  6. richtig udo, aber man kann noch mehr tun, z.b.

    a) geht es vor allem darum leserfreundlicher zu schreiben. also kein metaphysisches gesäusel und geseiere von autoren für autoren, sondern etagenarbeit, die möglichst viele user anspricht und trotzdem qualitativ hochwertig ist.
    b) an die schulen gehen und zeigen, dass die lyrik nicht bei goethe endet und auch nicht und noch nie themen wie friede, freude, eierkuchen behandelt hat.
    c) keine gedankenlyrik schreiben, die statische sachverhalte behandelt, sondern welche, die mehr prozesse, mehr ironie, performance-aspekte einbezieht.
    d) die zusammenarbeit mit anderen sparten wie musik, film, fotografie anstreben, um lyrik einsichtiger, spannender, interessanter zu machen.

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