Unterwegs in Thüringen

Nur in ICEs hört man tatsächlich einmal außerhalb von Romanen Sätze wie: „Gesundheitlich ist es um euch alle gut bestellt?“ +++ Nach der Lesung in Ranis fragt mich ein junger Mann: „Willst du nicht noch was vorlesen?“ – „Ich habe schon sechs Bier getrunken.“ – „Okay.“ +++ Ich verliere beim Kickern. +++ In der Jugendherberge werde ich nach knapp drei Stunden Schlaf gegen 6 Uhr morgens vom Ungeziefer vorm Fenster (Vögel) aufgeweckt. +++ Im Zug von Saalfeld nach Erfurt belausche ich das Telefongespräch einer jungen Frau: „Ich hätte nie diese Ausbildung hier anfangen sollen. Ich hätte direkt nach einem Jahr abbrechen sollen. Es ist wirklich furchtbar, ganz schrecklich. Die Lehrer sind einfach dumm, absolut doof. Stell dir vor, die kommen zu mir und sagen mir, mein Selbstbild stimme nicht mit meiner Persönlichkeit überein. Ich sage denen, sie sollen mit mir reden, wenn sie ein Problem haben. Und diese dämliche Tante antwortet mir: Wir haben gar kein Problem mit ihnen, Sie haben doch das Problem! Thüringer halt. Ich dachte echt, die Thüringer wären locker, aber das sind sie gar nicht. In Sachsen wäre es glaube ich besser. Die Sachsen sollen echt locker sein.“ +++ Ich besichtige Erfurt und entdecke, dass es sich um eine sehr schöne Stadt handelt. Zufällig ist gerade „Krämerbrückenfest“ und tausende von Rentern schieben sich durch die Straßen. Eine Oma ermahnt einen Opa auf Krücken: „Du kannst dort nicht hingehen, das ist viel zu eng für dich!“ – „Ich gehe jetzt dorthin!“ – „Du kannst dort nicht …“ +++ Ein junges Pärchen aus Bayern hinter mir auf der überfüllten Krämerbrücke, der Kerl ningelt: „Jetzt sage mir mal bitte, was ich hier genießen soll!“ +++ In einem Biergarten esse ich ein Schnitzel. Des Regens halber flüchtet sich ein Rentnerehepaar zu mir an den Tisch untern Schirm. Die beiden sind mit dem Reisebus aus Zwickau angereist. Sie essen ihr Schnitzel mit Spargel und Petersilienkartoffeln. „Ist doch schön, wie der Regen die Menschen zusammenführt!“, versuche ich ein Gespräch in Gang zu setzen. +++ Das Schaufenster eines Modegeschäftes für Frauen mit „großen Größen“ ist bauarbeitsbedingt komplett mit Brettern vernagelt. Ich sollte mir endlich mal eine Kamera anschaffen, dann könnte ich hier auch lustige Fotos veröffentlichen und müsste mich nicht mühen, alles umständlich zu beschreiben. +++ Im Zug nach Zeulenroda sitzen neben mir zwei Trinker auf dem Heimweg nach Bayern: „Der Thomas hat mich gefragt: Bist du bescheuert? Wieso wollt ihr denn nach Potsam mit dem Wochenendticket kommen? Und ich sage ihm: Weils uns Spaß macht! Wir fahren schön durch die Gegend, steigen ab und zu um und trinken unser Bierchen.“ Die beiden Männer haben einen Rollkoffer dabei, gefüllt teils mit vollen, teils mit leeren Bierflaschen. +++ Im „Schieszhaus“ in Zeulenroda erzählen wir, dass wir für die Lesung auf den Besuch der „Bunten Republik Neustadt“ in Dresden verzichten. Es kommen zur Lesung dann weniger Leute als erwartet, weil „ganz viele bei der Bunten Republik Neustadt sind“. +++ Ich gewinne gegen Stefan Seyfarth im Tischtennis. +++ „Habt ihr hier immer noch Probleme mit Nazis?“ – „Na ja, der Hofmann ist immer noch so drauf. Der Lippolt auch.“ Schön, dass man in Kleinstädten seine Nazis noch persönlich kennt! +++ Der Erdmittelpunkt befindet sich in der sächsischen Stadt Pausa.

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1 Kommentar

  1. Vögel verzehren Ungeziefer, so weit so gut… „werde aufgeweckt“, soll das Unwohlsein oder Genuß vermitteln? Ein Hinweis, daß Bier nicht reichte (schlaffördernd) oder nach drei Stunden in den Sanitärbreich zwang (nierenspülend)? bitte nicht so hastig tippen, Herr Blogger.

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