„Verwandelte Götter“ – Antike Skulpturen des Museo del Prado zu Gast in Dresden

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Wenn es zwei Dinge gibt, die uns heute Gähnkrämpfe ins Gesicht zaubern, dann sind das die Antike und ihre heidnische Götterwelt. Von schulischem Mief vollgemieft und allenfalls von Rentner XY hochgehypt, lockt uns höchstens noch die spektakuläre Sensation, dass es im Dresdner Japanischen Palais derzeit die älteste(!) Antikensammlung außerhalb Italiens zu begutachten gibt. Skulpturen aus dem Madrider Museo del Prado und der Dresdner Skulpturensammlung finden in liebevoller Harmonie unter einem Dach zusammen und wagen ein Tänzchen.
Gestern habe ich mich aufgemacht, um zu sehen, ob ein solches Highlight inzwischen in der Lage ist, mir ein sentimentales Tränchen zu entlocken (denn ich bin jetzt älter als etwa noch vor zehn Jahren und hoffentlich auch bald Rentner). Tatsächlich wurde ich angenehm überrascht.
Der Titel der Ausstellung „Verwandelte Götter“ spielt auf die Veränderungen an, denen das Götterbild der Antike unterworfen war – das ist sehr schön. Darüber hinaus trägt er, falls es euch nicht gleich aufgefallen ist, eine vertrackte Doppeldeutigkeit in sich. Es soll nämlich – der Flyer klärt uns auf – ebenfalls gezeigt werden, wie die Skulpturen nachträglich von Bildhauern des Barock dem Zeitgeschmack angepasst wurden. Das war falsch! Also wurden im Zuge neuerer archäologischer Forschungen solche Ergänzungen selbstverständlich wieder entfernt – eine interessante Provokation. Da man dergleichen neumodischen Hokuspokus im barocken Dresden natürlich äußerst ungern sieht, wurden die Ausstellungsräume zur Strafe mit kack-braunen Vorhängen geschmückt.
Bevor ich jetzt zu sehr ins Detail gehe, möchte ich in aller Kürze noch etwas über meine Ausstellungslieblinge verlieren, z.B. die „Trunkene Greisin“, befindlich gleich in Ausstellungsraum Nr. 1. Die Skulptur zeigt eine zahnlose, bewarzte Frau, die nach nächtlichem(?) Alkoholexzess Worte der Entschuldigung an ihren jahrzehnte jüngeren Mann zu richten versucht, aber nur ein Rülpsen(?) hervorbringt. Allezeit ein aktuelles und hochbrisantes Thema! Ebenfalls fand ich einige Hermesstatuetten sehr faszinierend. Denen hatte man das membrum virile (auf Deutsch: elfter Finger) vollständig herausbebohrt. Sehr schön! An diesen Stellen klafften tiefe Löcher – Performance Art der ersten Stunde. Lohnenswert ist auch ein Blick ins „Gästebuch“. Darin beschwert sich z.B. ein Besucher über die vielen „niveaulosen Aussprache- und Akzentuierungsfehler“ auf dem Audioguide, der kostenlos zur Ausstellung erhältlich ist. Ist das Kunst oder geschmacklose Agitprop? Die Experten laden demnächst zum Gespräch.
Es sind, wie man sieht, vor allem die vielen kleinen Dinge, durch die diese Ausstellung besticht. Eine durch und durch gelungene Schau!

ADMISSION: 5,- Eur / reduced fee 3,- Eur
ADRESS: Japanese Palace / Palaisplatz 11 / 01097 Dresden
OPENING HOURS: daily from 10 a.m. to 6 p.m. / on Thursdays from 10 a.m. to 10 p.m.
20. May to 27. September 2009

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