Julius Fischer wurde am 17. Januar 2015 in Kamenz mit dem Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen ausgezeichnet. Michael Bittner hatte die Ehre, ihn mit folgender Rede würdigen zu dürfen:
Meine verehrten Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, heute meinen Freund und Kollegen Julius Fischer an dieser Stelle loben zu dürfen. Aber nicht nur ihn möchte ich beglückwünschen. Ich beglückwünsche auch alle Mitglieder des Kuratoriums, die für die gute und mutige Entscheidung verantwortlich sind, Julius Fischer in diesem Jahr den Förderpreis zum Lessing-Preis zu verleihen.
Mutig ist die Entscheidung aus zwei Gründen. Zum einen wird die Auszeichnung einem Schriftsteller und Musiker verliehen, dessen ganzes Schaffen dem Humor gewidmet ist. Die Komik stand in Deutschland stets unter dem Verdacht der Trivialität, erbitterte Humorlosigkeit gilt vielen noch immer als sicherstes Kennzeichen dichterischer Größe. Der Mann, in dessen Namen heute ein Förderpreis an Julius Fischer verliehen wird, machte da allerdings eine Ausnahme. Lessing war nicht nur selbst ein ausgesprochen komischer Autor, wie besonders seine polemischen Schriften gegen verschiedene Goeze und Klötze beweisen. Er verteidigte auch das Komische in der Literatur und im Theater als Mittel der künstlerischen Darstellung wie der Erkenntnis. Den Versuch des Professors Gottsched, den Hanswurst feierlich von der deutschen Bühne zu verbannen, nannte er sehr passend „die größte Harlekinade, die jemals gespielt worden“. Es ist nur eine kleine Übertreibung, wenn ich Julius Fischer hiermit zu einem Hanswurst des 21. Jahrhunderts ausrufe. Auch Julius Fischers Texte und Lieder zeichnen sich vor allem durch ihren Witz aus, und zwar ganz in dem leider heute verloren gegangenen Sinne, den das Wort im Jahrhundert Lessings noch hatte: Witz als überraschende und erhellende Verknüpfung von scheinbar entferntesten Gedanken.
Die Entscheidung für Julius Fischer ist noch aus einem zweiten Grund mutig zu nennen. Julius gehört nicht zu den Autoren, die auf dem heute gängigen Karriereweg über Literaturschulen und Arbeitsstipendien zum Erfolg gelangt sind. Er entstammt vielmehr der literarischen Subkultur und hat sich sein Publikum in Jahren mühevoller Arbeit erobert. Er ist dieser Subkultur überdies auch heute noch verbunden, obwohl er es sich längst in höheren Sphären gemütlich machen könnte. Das Wort Subkultur ist übrigens ganz wörtlich zu nehmen, denn die ersten Jahre seiner künstlerischen Laufbahn verbrachte Julius Fischer in diversen Kulturkellern in Leipzig und Dresden. Ich kann dies bezeugen, denn ich war dabei. Seit zehn Jahren habe ich überdies die Freude, jeden Monat bei der Dresdner Lesebühne Sax Royal mit ihm gemeinsam auftreten zu dürfen. Ich kann versichern: Julius las und sang am Beginn seiner Karriere vor ein paar Dutzend Menschen mit genau derselben Leidenschaft, mit der er heute vor tausenden Fans auftritt und mit der er den Versuch unternimmt, mit einer eigenen Fernsehshow die Zuschauer des Mitteldeutschen Rundfunks aus dem Koma zu wecken.
Als ich Julius zum ersten Mal begegnete, es wird wohl im Keller des Dresdner Studentenklubs Bärenzwinger gewesen sein, da war ich überwältigt und auch ein wenig neidisch. Noch nie vorher hatte ich jemanden gesehen, der auf der Bühne so mühelos mit Worten das Publikum begeisterte. Und schnell bemerkte ich: Julius Fischer ist neben der Bühne ebenso schlagfertig, klug und sympathisch wie auf ihr. Das ist für Künstler keineswegs typisch. Eine Kleinigkeit, die mir schon damals auffiel, illustriert wohl am besten, was ich meine: Julius Fischer ist einer der wenigen Autoren, die über einen gelungenen Scherz eines Kollegen von Herzen lachen können. Viele Künstler raffen den Erfolg zusammen wie eine Beute und wachen eifersüchtig über ihren Schatz, den sie von Konkurrenten ständig bedroht wähnen. Julius Fischer dagegen bereitet es seit jeher Freude, seinen Erfolg zu teilen. Julius ist wohl darum nicht nur ein beim Publikum erfolgreicher, sondern auch ein bei Kollegen beliebter Künstler – eine recht seltene Kombination. Ich will es nun mit dem Lob für Julius auch nicht übertreiben, möchte aber doch noch erwähnen, dass er auch ein hervorragender Tischtennis- und Pokerspieler ist, gute Cocktails mixen kann und die hundert Meter in weniger als einer Minute läuft.
Viele Literaturfreunde werden Julius Fischer, obwohl er schon vor Jahren sein erstes Buch Ich will wie meine Katze riechen veröffentlicht hat, erst jüngst kennen gelernt haben, als er im Zentrum des sogenannten „Wanderhuren-Streits“ stand. Er hatte es gewagt, für sein zweites Buch Die schönsten Wanderwege der Wanderhure den Titel eines Bestsellers parodistisch abzuwandeln. Der Standhaftigkeit des Autors und seines Dresdner Verlags Voland & Quist, aber auch der ideellen und finanziellen Unterstützung durch zahlreiche Kollegen und Leser ist es zu verdanken, dass in der zweiten Instanz die Kunstfreiheit über das kommerzielle Verwertungsinteresse doch noch siegte. Die Verleihung des Förderpreises ist gewiss auch als Würdigung dieses Einsatzes gedacht und in dieser Hinsicht ebenfalls vollauf berechtigt.
Ein Skandal ist allerdings immer eine zweischneidige Sache: Einerseits kann er die Aufmerksamkeit auf ein Buch lenken, andererseits aber auch falsche Erwartungen wecken. Ohne sein Zutun wurde Julius Fischer in der Presse beständig als „Satiriker“ apostrophiert. Wer sein Buch aber mit der Erwartung liest, es handle sich politische Satire, der wird womöglich enttäuscht sein. Ein Satiriker attackiert Gegner in moralischer Absicht mit den Mitteln der Komik. Ein Satiriker muss vor allem eines können: Er muss hassen, ausdauernd und virtuos und produktiv. Und er muss es ertragen, ja vielleicht sogar ein bisschen genießen, selbst gehasst zu werden. Julius Fischer ist viel zu menschenfreundlich für den Beruf des Satirikers. Zwar gibt es in seinem Werk auch Texte unter der Rubrik Ich hasse Menschen, die so wunderbare Einsichten enthalten wie: „Junggesellenabschiede sind das Dritte Reich des kleinen Mannes.“ Doch können selbst diese Texte nicht verbergen, dass der Autor die Menschen im Herzensgrunde doch liebt. Er ist gelegentlich enttäuscht von ihnen, aber nie verachtet er sie. Wenn Julius in seinen Geschichten mit seinem proletarischen Freund Enrico plaudert, dann nicht um sich nach dem Muster schlechter Comedy lachend über den Proll zu erheben, sondern um gegensätzliche Weltsichten miteinander in einen komischen Kontrast zu setzen.
Julius Fischer muss in einer anderen literarischen Tradition gesehen werden, nämlich der des Essays. Leider verbindet man diesen Begriff in Deutschland heute vor allem mit halbwissenschaftlichen, in jeder Hinsicht erschöpfenden Abhandlungen. Liest man hingegen die Essais von Michel Montaigne, die der Gattung den Namen gaben, dann entdeckt man ganz persönliche, humorvolle Betrachtungen voller Abschweifungen zu den großen und kleinen Fragen des Daseins. Diese Beschreibung passt bestens auch für die Essays von Julius Fischer. Auch Julius erforscht mit Skepsis und Einfühlungsvermögen die Schwächen der Menschen, nicht zuletzt seine eigenen. Und auch er deckt mit den Mitteln der Komik die Widersprüche und Albernheiten im Treiben der Leute auf.
Ich weiß nicht, welchen Weg Julius Fischer in den nächsten Jahren einschlagen wird. Vielleicht wendet er sich ganz dem Fernsehen zu, vielleicht konzentriert er sich auf seine musikalische Karriere mit der Band The Fuck Hornisschen Orchestra, vielleicht nimmt er sich auch eine Auszeit und tritt dann mit einem literarischen Großwerk an die Öffentlichkeit. Julius weiß vermutlich selbst noch nicht genau, was die Zukunft bringt. Ich bin mir aber völlig sicher: Von Julius Fischer dürfen wir noch viel Gutes erwarten.