Dresden, wie es schlägt und schreit

Aus ganz Deutschland werden harmonische oder zumindest halbwegs friedliche Fußballfeste nach der Partie Deutschland-Türkei gemeldet – nur nicht aus der Zone: Sachsen und besonders Dresden werden ihrem Ruf mal wieder mehr als gerecht. Ein Haufen Nazis hat den nationalen Taumel dankbar genutzt, um zu randalieren und einen türkischen Döner-Laden in der Neustadt zu überfallen. Und hunderte normale junge Deutsche auf den Straßen schauen zu.

Da hatte man sich ja an die neue schwarz-rot-gelbe Fähnchenschwenkerei schon halbwegs gewöhnt, da dachte man, es ist doch schon ein Fortschritt, wenn die Deutschen ihren Patrotismus jetzt immerhin bei Fußballspielen und nicht mehr bei Völkermorden ausleben, da war man eigentlich dadurch beruhigt, dass dieser neue Nationalismus sich auf Party und Konsum beschränkt und keinen wirklichen Inhalt mehr hat – aber wenn man dann selbst in die grölende Masse gerät, kann man sich einfach des Ekels nicht erwehren. Was gibt es Erbärmlicheres, als diese deutschen Fans, die ihren Sieg nur dadurch genießen können, dass sie den unterlegenen Gegner auch noch verhöhnen? Der Deutsche kann eben seine Stärke nicht anders fühlen, als indem er Schwächere erniedrigt.

„Der Patriotismus des Franzosen besteht darin, daß sein Herz erwärmt wird, durch diese Wärme sich ausdehnt, sich erweitert, daß es nicht mehr bloß die nächsten Angehörigen, sondern ganz Frankreich, das ganze Land der Civilisazion, mit seiner Liebe umfaßt; der Patriotismus des Deutschen hingegen besteht darin, daß sein Herz enger wird, daß es sich zusammenzieht, wie Leder in der Kälte, daß er das Fremdländische haßt, daß er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Teutscher seyn will.“ (Heinrich Heine, 1835)

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3 Kommentare

  1. diese aktuellen teil deutschlandselbstbeschimpfungsblog finde ich einseitig und vereinfacht
    – idioten die kraft daraus gewinnen andere nationen zu verhöhnen gibt es
    > überall, nimm nur araber gegenüber negern, russen-polen, L.A. crash…
    – franzosen gelten auch als arrogant und abweisend was fremdsprachen angeht, was natürlich nur teilweise stimmt, ebenso wie deutsche im ausland nicht alle brüllend johlend schnitzel bestellen sondern sich auch für bedingungen im land interessieren…
    – wenn glatzen einen imbiß stürmen, wäre ich wahrscheinlich auch eher opfer eines fluchtreflexes, stiefel an schläfe und gesicht sind nicht so meins… die regierung fordert zivilcourage, die polizei rät sein eigenes leben nicht zu gefährden… was genau soll man tun? bluten oder sich für ohnmacht schämen?

  2. Der Beitrag von mir ist natürlich sichtlich im Affekt geschrieben und deswegen alles andere als ausgewogen und gerecht.

    Natürlich kann man „die“ Deutschen nicht pauschal für die Taten dieser Nazis verantwortlich machen, aber diese zähe Gleichgültigkeit, dieses Schweigen und Verharmlosen, diese verkniffene Sympathie und dieser halbherzige Protest kann einen doch wirklich in den Wahnsinn treiben!

    Es stimmt: Zivilcourage zu fordern ist immer leicht und selbstgerecht. Es gibt keine Pflicht zum Heldentum. Und keiner weiß, wie er in einer solchen Lage handeln würde.

  3. Interessantes Zitat von Heinrich Heine, der die Deutschen wohl nicht erst im „Wintermärchen“ recht kritisch betrachtete. Und weil Heine auch Napoleon gegenüber recht viel Sympathie hegte, kommt noch mein „Lieblingszitat“ von ihm über die Deutschen:
    „Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das Deutsche. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden, die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgen sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung, als ihre wirklichen Feinde.“
    Und das rund 130 Jahre vor dem deutschen Faschismus und heute heißt die Parole wohl so in etwa „Wachstum schafft Arbeit.“ :) …
    Letztlich kann man/frau/mensch es nur besser machen und sein eigenes Umfeld verändern … doch viele haben sind in ihrem Tun nicht weniger „gefährlich“ als jene, gegen die sie glauben etwas zu tun … z.B. „Die selbst(ge)rechten Linken“ …
    In diesem Sinne, alles Gute … Micha.

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