Lustige Deutsche (2): Georg Büchner

buechner.jpgNachdem im ersten Teil dieser Reihe mit dem paradoxen Titel „Lustige Deutsche“ Ludwig Tieck vorgestellt wurde, widmet sich der zweite einem Autor, der diesen „König der Romantik“ trotz aller Differenzen sehr zu schätzen wusste: Georg Büchner. Den meisten Literaturfreunden werden bei diesem Namen wohl Erinnerungen ihrer Schullektüre von Woyzeck durchs Hirn purzeln. Manch einer weiß vielleicht auch noch aus der Lektüre des Hessischen Landboten, dass der mit 23 Jahren verstorbene Autor zu den wenigen deutschen Dichtern gehörte, die sich ernsthaft auch in die politische Praxis mischten. Aber der echte Kenner schätzt an Büchner ein weit weniger bekanntes Faktum: Er war witzig! >>>

Büchners Witz sticht aus der Epoche der biedermeierlichen Gemütlichkeit, in die geboren zu werden er das Pech hatte, nicht weniger heraus als seine politische Radikalität. Er schätzte den gesellschaftskritischen Humor Jean Pauls wie die satirische Eleganz der französischen Aufklärer. In dem Universum Shakespeares lebte er ohnehin seit seiner Jugend. Verglichen mit seinem Zeitgenossen Heine, ist Büchners Witz abgründiger, bösartiger und morbider – ohne dabei weniger spielfreudig zu sein. Schon in dem allzu oft zum pantragischen Seelenschauspiel mystifizierten Drama Danton’s Tod steht er in voller Quecksilberblüte: Die Ideologien der Revolutionäre werden entblößt, der rhetorische Höhenflug mit der Wirklichkeit konfrontiert. So etwa, wenn sich der Tugendbold Simon über die durch Armut erzwungene Hurerei seiner Tochter empört und ihn die eigene Frau wieder auf den Boden bringt: „Du Judas, hättest du nur ein Paar Hosen hinaufzuziehen, wenn die jungen Herren die Hosen nicht bei ihr herunterließen?“ Oder, mit einem maliziösen Wortspiel, wenn eine Prostituierte auf der Straße die andere antreibt: „Mach fort, da kommen Soldaten, wir haben seit gestern nichts Warmes in den Leib gekriegt.“ In allen seinen Stücken zeigt Büchner die Komödie, die wir Realität nennen, und stößt den Leser auf die lächerliche Kluft, die Schein und Sein in einer entfremdeten Welt trennt.

Nicht anders verhält es sich in Leonce und Lena. Dieses Stück ist nicht nur die einzige Komödie Büchners, sondern auch eine der wenigen Komödien in deutscher Sprache überhaupt, bei der man etwas zu lachen hat. Die Handlung: Der an Melancholie und Langeweile leidende Prinz Leonce soll mit der Prinzessin Lena zwangsverheiratet werden, beiden graust es davor und sie machen sich auf die Flucht, treffen einander zufällig dabei, verlieben sich und heiraten so am Ende doch noch. Das ist alles. Wie Büchner aus diesem Nichts durch Anspielungen, Wortwitz, Satire und hochkomischen Tiefsinn eine ganze Welt macht, ist nicht zu fassen. Begleitet wird Leonce auf seiner Reise von dem herrlichen Faulpelz Valerio: „Herr, ich habe eine große Beschäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fertigkeit im Nichtstun, ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinanderzusetzen.“

Politische Interpreten, die in Büchner vor allem einen frühkommunistischen Säulenheiligen sehen, konnten mit dem Lustspiel immer wenig anfangen oder wollten es als todernste politische Anklage gegen den Feudaladel lesen. Schließlich ist dieser Leonce doch ein Prinz, also quasi de facto gewissermaßen ein Ausbeuter! Aber wenn man eine Komödie zu ernst nimmt, dann nimmt man sie als Komödie nicht ernst genug. Büchner besaß bei all seiner politischen Klarheit doch etwas bei Revolutionären Seltenes: Humor, Menschlichkeit und die Fähigkeit zur Selbstironie. Gerade weil er sich bewusst war, dass nicht einzelne Unterdrücker, sondern das System der Unterdrückung zu bekämpfen war, findet man kaum eine persönliche Attacke in seinen Schriften. Und weil er wusste, dass er auch selbst als Bürger unvermeidlich in das System der Ausbeutung verstrickt war, bezog er sich immer auch selbst in die eigene Kritik mit ein. Es gibt eben kein richtiges Leben im falschen. Aber deswegen muss einem ja nicht gleich das Lachen vergehen.

Georg Büchner: Dichtungen, Schriften, Briefe, Dokumente. Hg. von Henri Poschmann. 2 Bände. Deutscher Klassiker Verlag, 25 Euro.

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