Ist man nach einer Weile mal wieder in der Hauptstadt, merkt man doch, dass es sich durchaus lohnt, die lange Zugfahrt durch den Friedhof zwischen Dresden und Berlin auf sich zu nehmen. Nirgendwo sonst treibt die literarische Kultur so viele exotische Blüten.
Zu jenen gehört auch das „KANTINENLESEN“ in der Alten Kantine der Kulturbrauerei: Wechselnde Autoren aller Berliner Lesebühnen treffen sich hier jeden Samstagabend zum „Gipfeltreffen“ vor einem ungewöhnlichen Publikum. Neben jungen Leuten sitzen hier auch respektable ältere Herrschaften, deren skeptischer Gesichtsausdruck unweigerlich bald einem befreienden Lachen Platz macht. Dass auch ich diesmal dort gastieren durfte, lag nicht so sehr daran, dass Dresden bekanntlich auch nur ein entfernterer Vorort Berlins ist, sondern daran, dass Udo Tiffert und ich als exotische Spezialgäste eingeladen worden waren. Was soll ich sagen? Unsere Texte fielen – nicht weniger als die der anderen Gäste Spider, Micha Ebeling und Sarah Schmidt – auf äußerst fruchtbaren Boden. Über 100 Besucher sind natürlich auch ein ausgesprochen fruchtbringender Humus. Und auch Verständigungsprobleme zwischen Sachsen und Preußen gab es keine: So wussten fast alle anwesenden Zuschauer sogar, was eine „Eierschecke“ ist. Oder sollte etwa doch das Gerücht stimmen, dass in Berlin gar keine Berliner mehr wohnen?
Den nächsten Tag nutzen meine Freundin und ich noch für einen Stadtbummel, der uns allerdings mal nicht in einen der üblichen „Szene“-Bezirke führte, sondern nach: Charlottenburg. Wer sich für Kunst interessiert, dem sei an dieser Stelle wärmstens das „Museum Berggruen“ ans Herz gelegt. Der erst kürzlich verstorbene Kunsthändler und Mäzen Heinz Berggruen hat hier seine bedeutende Sammlung der klassischen Moderne seiner Heimatstadt Berlin überlassen. Unter dem Titel „Picasso und seine Zeit“ gibt es – in einem wunderschönen und erfreulicherweise nicht überlaufenen Gebäude – herrliche Bilder und Plastiken von Picasso, Braque, Matisse, Giacometti und Klee zu sehen.